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Veröffentlicht am 2. Februar 2025 von lyrikzeitung
Maja Haderlap
(* 8. März 1961 in Bad Eisenkappel/Železna Kapla, Kärnten)
als mir die sprache abhanden kam
vielleicht trank ich gerade kaffee
oder schlug eine zeitung auf.
vielleicht zog ich die vorhänge zu
oder sah auf die straße, als sie
mich verließ, ich dachte noch,
was für ein röcheln
aus der tiefe der wand,
was für ein klirren in diesem raum.
kein fensterglas sprang,
kein sessel fiel um in der küche.
an den straßenschildern erloschen
namen zu buchstabenasche.
über den häusern fuhr der
worttanker davon, massig, lautlos.
meine zunge zuckte wie ein
gestrandeter wal im trockenen mund.
ich floh aus der stadt,
zog mich hinter die grenze zurück.
kein brief kam an und antworten
blieben aus. wo ich
war, klafft eine lücke.
wo ich bin, treibt
mein schatten ins kraut.
Aus: »langer transit«, Gedichte © Wallstein Verlag, Göttingen 2014. Hier entnommen aus: Ostragehege. Zeitschrift für Literatur und Kunst. Nummer 100 (II/2021), S. 34 – Die Zeitschrift druckt auch eine Lesart dieses Gedichts von Róža Domašcyna.
Kategorie: Österreich, DeutschSchlagworte: Maja Haderlap, Róža Domašcyna
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