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Ein Gedicht von Paul Verlaine in zwei sehr unterschiedlichen deutschen Fassungen. Ich empfehle, die deutschen Fassungen zunächst für sich zu nehmen ohne Blick auf die andere Übersetzung oder das Original. Man merkt früh genug, dass sie sehr unterschiedlich sind, aber wären es Gedichte in ihrem eigenen Recht?
Unter dem Original noch zwei Schnappschüsse von Googles Übersetzungsapp. Gar nicht um mich darüber lustig zu machen. Die neuen maschinellen Übersetzer sind schon erstaunlich – wenn sie auch bei Gedichten versagen. Der Orientierung dienen sie trotzdem. (Man kann der App, die beim Fotografieren direkt übersetzt, beim Übersetzen zusehen, weil oft ein einzelnes Wort übersetzt wird und dann im Kontext neu bewertet. Vielleicht wäre die Übersetzung noch verbessert worden, wenn ich länger gewartet hätte. Tatsächlich habe ich bei zwei Versuchen zwei recht unterschiedliche Versionen erhalten. Darin ist die KI schon menschlich, das Ergebnis ist nicht mechanisch jedesmal dasselbe. Mir fällt auf, dass das bei Verlaine fünfmal vorkommende soleils couchant je nach Kontext unterschiedlich übersetzt wird.)
Paul Verlaine
(* 30. März 1844 in Metz; † 8. Januar 1896 in Paris)
SONNENUNTERGANG
Der Morgen schauert
Fahl überm Hang.
Hier hab ich getrauert
Um die Sonne, die sank.
Meine Trauer, sie dauert;
Nie tröstet Gesang
Das Herz, welches trauert
Um die Sonne, die sank.
Und Träume, von wannen,
Sie folgen dem Gold
Der Sonne von dannen,
Wohin sie gesollt;
Und kamen von wannen
Und waren mir hold
Und folgen dem Gold
Der Sonne von dannen.
Deutsch von Georg von der Vring, aus: Paul Verlaine, Gedichte. Übertragen von Georg von der Vring. Berlin: Riemerschmidt, o.J. (1940), S. 51
SONNENUNTERGÄNGE
Ein schwaches Rot und grauer
verblichner Dunst verhängen
die Fluren mit der Trauer
von Sonnenuntergängen.
Und diese sanfte Trauer
wiegt ein mit süßen Sängen
mein Herz, erfüllt vom Schauer
von Sonnenuntergängen.
Und fremde Träume stehen
wie Sonnen, die am Strande
des Meeres untergehen,
in rötlichem Gewande,
sind ruhlos auch und wehen
vorüber durch die Lande
wie Sonnen, die am Strande
des Meeres untergehen.
Deutsch von Hannelise Hinderberger, aus: Paul Verlaine, Gedichte. Französisch und Deutsch, Heidelberg: Lambert Schneider, 4. Aufl. 1979, S. 31
SOLEILS COUCHANTS
Une aube affaiblie
Verse par les champs
La mélancolie
Des soleils couchants.
La mélancolie
Berce de doux chants
Mon coeur qui s'oublie
Aux soleils couchants.
Et d'étranges rêves,
Comme des soleils
Couchants, sur les grèves,
Fantômes vermeils,
Défilent sans trêves,
Défilent, pareils
A des grands soleils
Couchants, sur les grèves.
Ebd. S. 30


SONNEN IM SCHLAF
Ein schwaches Licht
legt auf die Wiesen
Schwermut
von Sonnen im Schlaf.
Schwermut
wiegt ein mit sueszem Gesang,
mein Herz vergisst sich
in Sonnen im Schlaf.
Fremde Traeume rufen,
wie Sonnen im Schlaf
von den Ufern,
roetliche Schaeume
fahren auf und ab,
defilieren am Ufer
wie Sonnen im Schlaf.
Uebersetzt v. MW am 31. Jaenner 2024
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Paul Verlaine
SONNE IM SCHLAF
Ein schwaches Licht
legt auf die Wiesen
Schwermut
der Sonne im Schlaf.
Schwermut
wiegt ein mit süßem Gesang,
mein Herz vergisst sich
in Sonne im Schlaf.
Fremde Träume rufen,
wie Sonne im Schlaf
von den Ufern,
rötliche Schäume
fahren auf und ab,
defilieren am Ufer,
die Sonnen im Schlaf.
Übersetzt v. MW am 31.1.2024
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Im Titel vielleicht auch doch Plural.
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Paul Verlaine
SONNEN IM SCHLAF
Ein schwaches Licht
legt auf die Wiesen
Schwermut
der Sonne im Schlaf.
Schwermut
wiegt ein mit süßem Gesang,
mein Herz vergisst sich
in Sonne im Schlaf.
Fremde Träume rufen,
wie Sonne im Schlaf
von den Ufern,
rötliche Schäume
fahren auf und ab,
defilieren am Ufer,
die Sonnen im Schlaf.
Übersetzt v. MW am 31.1.2024
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