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Veröffentlicht am 15. Juni 2023 von lyrikzeitung
Karel Hlaváček
(* 29. August 1874 in Prag; † 15. Juni 1898, heute vor 125 Jahren, ebenda)
Blies wer Oboe ... Blies wer Oboe, blies nun schon seit Tagen, blies zu Abend immer und das gleiche weiche Lied, und nicht einmal ein Licht, kein Licht sein Ufer wies, weil jedes Feuer, heißts, hier fortschwimmt und verglüht. Blies die Oboe lang, am Ufer Dunkelheit, am Ufer endlos, wo noch niemand ging an Land: Blies er aus Gleichmut, blies er nicht aus Angst vielleicht? War er ein stiller Hirt? Ein König, der verbannt? Blies die Oboe trüb. Aus Seufzertiefen schwang die Luft von seinem Lied, dem zagen, weichen Lied ... Und wieder wasserher ihm die Oboe klang: Schein sind die Feuer, Schein, der fortschwimmt und verglüht.
Deutsch von Paul Wiens, aus: Die Glasträne. Tschechische Gedichte des 20. Jahrhunderts. Berlin: Volk und Welt, 1966, S. 28
Hrál kdosi na hoboj ... Hrál kdosi na hoboj, a hrál již kolik dní, hrál vždycky navečer touž píseň mollovou a ani nerozžal si oheň pobřežní, neb všecky ohně prý tu zhasnou, uplovou. Hrál dlouze na hoboj, v tmách na pobřeží, v tmách, na plochém pobřeží, kde nikdo nepřistál: Hrál pro svou Lhostejnost, či hrál spíš pro svůj Strach? Byl tichý Pastevec, či vyděděný Král? Hrál smutně na hoboj. Vzduch zhluboka se chvěl pod písní váhavou a jemnou, mollovou… A od vod teskně zpět mu na hoboj vlhkem zněl: Jsou ohně marny, jsou, vždy zhasnou, uplovou.
Kategorie: Tschechien, TschechischSchlagworte: Karel Hlaváček, Paul Wiens
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Ich dachte hier an Li Bais 春 夜 洛 城 聞 笛, „Ich höre abends eine Flöte in Luoyang“. Wenn im alten China beim Abschied der Zurückbleibende einen Weidenzweig bricht, „折 柳“(vierte Zeile, letzte zwei Zeichen), bedeutet dies für den Abreisenden: „bleibe doch“ (weil es gleich klingt wie das Zeichen für„Weide“) . Die Melodie erinnert an diejenigen die in der Heimat zurückgeblieben sind, macht Heimweh wach. Die Hauptstadt ist Luoyang, die Flöte ist eine Jadeflöte.
誰 家 玉 笛 暗 飛 聲 Von wo her kommt das Flötenlied / das heimlich zu mir weht
散 入 春 風 滿 洛 城 Verliert sich in dem Frühlingswind / der durch die Hauptstadt geht
此 夜 曲 中 聞 折 柳 In dieser Nacht, die Melodie / „vom Weidenbaum ich brach“
何 人 不 起 故 園 情 Und welcher Mensch dann nicht für sich / das Heimweh eingesteht?
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Hier ist Paul Wiens (auf den ich immer die Wut hatte, weil er die jungen Autoren ausspionierte) eine wirklich gute Nachdichtung gelungen,
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