Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Veröffentlicht am 20. Juli 2017 von lyrikzeitung
Am 20. Juli 1916 „fiel“ der junge Dichter Reinhard Sorge auf dem „Schlachtfeld“ in Frankreich. Hier ein Auszug aus dem Minidrama „Zarathustra. Eine Impression“ vom 1911:
JUNGER KÜNSTLER:
Himmel und Hölle! Ich werde die ganze Sippschaft lehren, dies Buch zu begreifen. Geben Sie nur acht! . . .
MUSIKER:
Keine Dummheiten, mein Freund, keine Dummheiten! . . .
(Der junge Künstler rasch ab durch eine zweiflügelige Tür inmitten der Hinterwand. Mäzen niest stark.)
SCHULMEISTER:
Gesundheit! Haben Sie sich erkältet, Bester? Wie? Ein wenig zugig, das Buch. Nicht wahr? Gesundheit!
MÄZEN:
Danke, danke! Es war nur eine Fliege, die kitzelte . . .
SCHULMEISTER:
Verstehe. Verstehe.
(Der zweite Student hält mit Wandern inne.)
LIBERALER:
Ich gelte allgemein für liberal; Sie wissen das, meine Herren. Ich sage Ihnen: dieses Buch ist das Äußerste. Es ist furchtbar gefährlich. Es wäre feige oder dumm, das zu leugnen. Es ist gefährlicher als alle Bücher der Aufklärung, selbst die schmutzigsten, selbst die wissenschaftlichsten!
SCHULMEISTER:
Warum gerade?
LIBERALER:
Es hat wieder die Pietät eingefangen. Es preist wieder das Gebet; es kennt Abstände, Ritus, Himmel. Ich sage Ihnen: höchst gefährlich! Es kennt Kulte.
(Draußen fällt ein Schuß.)
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: L&Poe-Anthologie, Reinhard Sorge
Kann zu diesem Blog derzeit keine Informationen laden.
Neueste Kommentare