Genschels Referenzflächen
Veröffentlicht am 4. Mai 2016
von lyrikzeitung
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Zu den
Referenzflächen von Mara Genschel etwas kluges oder auch nur halbwegs vernünftiges zu schreiben fällt mir sehr schwer. Deswegen hier nur so viel: Auch die fünfte Ausgabe hat mich (wieder) fasziniert. Sie beginnt – etwas überraschend – zunächst fast mir einer richtigen Story: Der Zerstörung (die an Pierre Boulez’ Aufforderung, die Opernhäuser in die Luft zu sprengen, erinnert) des Wiesbadener Literaturhauses Villa Clementine. Aber das, was zerstört wird, ist natürlich wieder nur der Text der Villa Clementine. Bilder werden zu Texten: ein mit Tesafilm eingeklebter Zettel „Türknauf“ repräsentiert im Bildrahmen die Repräsentation des repräsentativen Bauwerks der repräsentativen Kunst (oder so ähnlich). Dieses Spiel mit den Ebenen von Text und außertextlicher Welt, die Aufhebung der traditionellen strikten Unterscheidung dieser Signifikationsbereiche ist ja das, was mir an Genschels Referenzflächen so viel Freude bereitet. Und das funktioniert auch hier wieder: Der Text ist Text ist Wirklichkeit, ist aber schon als Text nicht mehr nur Text, sondern auch Bild und Montage (eingeklebte und eingeschriebene Texte), ist aber auch als Text schon zerstört durch Überschreibungen, verrutschte Zeilen und Durchstreichungen etc. Und er wird in seiner Materialität ad absurdum geführt (?), wenn leere Seiten einen Rahmen erhalten, auf dem ein eingeklebtes „Blatt 3“ die Leere repräsentiert und natürlich zugleich wieder zerstört. In diesem ewigen sic-et-non, diesem verspielten hier-und-da muss man wohl den Raum der
Referenzfläche sehen und schätzen. /
Matthias Mader
Mara Genschel: Referenzfläche #5. 2016
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