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Holans Verse faszinieren in ihrer hermetischen Verdichtung, die zuweilen an die Grenze des Verstehbaren rühren. Mit einemmale finden sich in Holans Versen Dinge in Verbindung gebracht, die zunächst einmal gar nichts miteinander zu tun hatten. Das Gedicht „Der Junge“ führt geradezu virtuos vor, wie unter Zuhilfenahme verschobener Perspektiven in einer verständlich gehaltenen Kommunikation zugleich an dunkle Ahnungen gerührt wird:
Der Junge
Die ganze Nacht lang sind im Park die Äpfel gefallen,
während der Junge des Nachbarn im Sterben lag…
Er war’s, der mir einmal sagte:
„Herr, Sie sind ein Fremder?“ Du sagtest:
„Warum fragst du?“ Er sagte: „Sie haben
in ihren Augen so viel Zeit.“
Du sagtest: „Du bist ich, als ich
jung war!“ Er sagte: „Ich bin Sie,
erst wenn ich alt geworden bin… Aber wissen Sie, was,
gehn wir auf die Post
und telefonieren wir uns von dort,
wann wir eigentlich sind…“[Übertragen von Franz Wurm]
Der vorliegende Band ist Teil einer auf vierzehn Bände geplanten Gesamtausgabe der Werke von Vladimír Holan, von der bisher fünf Bände erschienen sind. Sämtliche Ausgaben sind konsequent zweisprachig. Die Umsicht dieses gewaltigen Editionsvorhabens wird nicht zuletzt durch einen Kommentarteil der beiden Herausgeber Urs Heftrich und Michael Špirit unterstrichen, der den tschechischen Ausgaben fehlt. / Volker Strebel, Fixpoetry
Vladimir Holan
Dem Asklepios einen Hahn
Gesammelte Werke / Band 10: Lyrik VII: 1966–1967
Übersetzung: Věra Koubová
Mitarbeit v.: Franz Wurm Kommentiert v.: Urs Heftrich, Michael Spirit Nachwort v.: Urs Heftrich
Universitätsverlag Winter 2015 · 458 Seiten · 29,00 Euro
ISBN: 978-3-8253-6375-8
„Nacht mit Hamlet“ ist ebenfalls in der erwähnten Werkausgabe enthalten.
Siehe auch meine letzten Pragstreifzüge I -IV, z.B.:
https://wolfgangschiffer.wordpress.com/2015/04/01/das-ist-der-augenblick-der-uber-ein-brucklein-jagt-aus-vogelknochen-teil-ii/
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