66. Wiener Mischung

Elfriede Gerstls knappe Gedichte sind wie ihre Kurzprosa und ihre scharfsinnigen Essays eine Schule der Wort-Askese und der Befreiung vom Phrasen-Ballast, der einen täglich hinunterzieht in die konventionelle, abgegriffene, verbrauchte Sprache.

Der zweite Band der Werkausgabe (gerade ist der dritte Band im Erscheinen begriffen) enthält Gerstls legendäre Wiener Mischung von 1982, die 2001 in erweiterter Form als Neue Wiener Mischung erschienen ist, deren Texte aber bis 1955 zurückreichen. Der geniale Titel Wiener Mischung erinnert nicht nur an Kaffee und eine Zuckerlmischung, sondern beschreibt das Kompositionsprinzip des Bandes: Gedichte, die aus reiner, unkontrollierter Sprachspielfreude entstanden zu sein scheinen, stehen neben präzisen Konstrukten oder Gedichten, die pointiert argumentieren.

In den besten Beispielen kommt das alles zusammen und ergibt auf kleinstem Raum eine Intensität, die ihresgleichen sucht, wie etwa im Gedicht Wiederholungszwang: „mutter und vater / futter und prater / watschen und golatschen / und das ein leben lang / mit jeder neuen frau / mit jedem neuen mann / weil man nicht anders kann / watschen und golatschen / prater / futter / vater mutter“.

(…)

Als hellsichtige Einzelgängerin misstraute Elfriede Gerstl allen Doktrinen – auch denen der Avantgarde – und wollte Spielräume eröffnen. Man schadet sich selbst, wenn man sie nicht liest. / Cornelius Hell, DER STANDARD, 21.6.2014

Elfriede Gerstl, „Behüte behütet. Werke Band 2“. Hrsg. und mit einem Nachwort von Christa Gürtler und Helga Mitterbauer. 28,- Euro / 32 Seiten. Droschl, Graz 2014

Hinweis: Am 24. Juni, 19 Uhr, wird im Literaturhaus Wien (Seidengasse 13) der dritte Band der Elfriede-Gerstl-Werkausgabe präsentiert (mit Christa Gürtler, Martin Wedel, Batya Horn, Herbert J. Wimmer, Teresa Präauer und Raja Schwahn-Reichmann).

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