Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
In verbrachter Zeit – so lautet der ebenso schlichte wie merkwürdige Titel, unter dem Farhad Showghi seine neuen Prosagedichte in einem schmalen Band zusammenführt. Prosagedichte! Dichterische Prosa? Prosaische Gedichte? Die Genrebezeichnung tut nicht viel zur Sache. Konkret handelt es sich um Mikrotexte von höchster Komplexität und Einfachheit. Einfach und komplex zugleich sind diese minimalistischen Gebilde, die man mit Robert Walser, einem der bevorzugten Referenzautoren Showghis, gern als „Sprachstückli“ bezeichnen würde – als sprachliche Kunststücke in kleinstem Format.
Was Showghi in Kleinformat vorführt, ist grosse Sprachkunst, ist Dichtung, die sich in stetigem Widerspruch zu Logik, Kausalität, Chronologie ebenso witzig wie tiefsinnig behauptet. Was zunächst leicht zu lesen ist, erweist sich bei näherem Hinsehen und wiederholter Lektüre als äusserst vertrackt. Wir haben es hier mit Texten zu tun, in denen sich, ihrer vordergründigen Unbedarftheit zum Trotz, ein dezidiert irreguläres Denken und Imaginieren kundtut.
Die schlicht instrumentierten Prosagedichte (sie kommen ohne Fremdwörter, fast ohne Neologismen, ganz ohne lyrische Überhöhung aus) provozieren durchweg den sogenannten gesunden Menschenverstand, indem sie die automatisierte Alltagsrede wie auch korrektes Argumentieren und Schliessen konsequent unterlaufen. / Felix Philipp Ingold, Planet Lyrik
Farhad Showghi: In verbrachter Zeit. Prosagedichte. Berlin (kookbooks) 2014. 96 S., 19,90 Euro.
Neueste Kommentare