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„Nach dem Krieg zog ein Komet der Poesie über Polen. Sein Kopf war Rózewicz, alle anderen waren der Schweif.“ Mit diesen Worten beschrieb der Dichterkollege Stanislaw Grochowiak (1934-1976) die Bedeutung von Tadeusz Rózewicz für die polnische Lyrik. Das war eine unmissverständliche Respektbezeugung, doch ist nicht ausgeschlossen, dass Rózewicz diesem Bild mit Skepsis begegnete, war doch das Charakteristische seiner Gedichte die maximale Reduktion. Mit seinen Versen wollte er die Dinge beim Namen nennen, das Wesentliche sagen, auf jeglichen Zierrat verzichten. Diesem Grundsatz folgte er mit unermüdlicher Konsequenz – drei Verssysteme hatte die polnische Dichtung tradiert, heute verzeichnen die Erläuterungen zur Poetik ein viertes: den „Rózewicz-Vers“. (…)
Am 24. April starb Tadeusz Rózewicz im Alter von 92 Jahren in Wroclaw. Hinterlassen hat er ein Werk, das es in Deutschland nach wie vor zu entdecken gilt – ein Werk, das durchzogen ist von einem intensiven Dialog mit der deutschsprachigen Literatur. Zwei Bücher seien daher genannt, die eine Annäherung an dieses Schaffen erleichtern. Andreas Lawaty und Marek Zybura gaben 2003 den Band „Tadeusz Rózewicz und die Deutschen“ (Harrassowitz) heraus“; 2007 publizierten Bernhard Hartmann und Alois Woldan „Schwarze Gedanken? Zum Werk von Tadeusz Rózewicz“ (Stutz).
Dass die Lyrik weder zum „Kinderspielzeug“ werde noch zu einem „avantgardistischen Kalb mit zwei Köpfen“ – mit diesem Programm hat sich Tadeusz Rózewicz in die polnische Literatur eingeschrieben. Zu seiner Signatur wurde – mit einem Wort von Karl Dedecius – „das lapidare, schmucklose, wahrheitsbesessene Gedicht“. / Lothar Quinkenstein, Tagesspiegel
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