110. Wunderblock

Mit Uljana Wolf erobert der ästhetische Humor die von Frauen geschriebene deutschsprachige Lyrik. Der vierte Zyklus des Bandes, „Spitzen“, bildet die Wunderblock-Struktur des unwillkürlichen Gedächtnisses nach, Schrift und ihre Überschreibung. Zu sehen ist ein spätbürgerliches Tableau mit Frauen, die plaudernd mit ihrer Schiffchenarbeit unter der Lampe sitzen und von den Männern als „schnatternde Gänse“ abgetan werden.

Davor schiebt sich eine spöttische Stimme, die Seemannsknoten knüpfende Männer neben die Stickerinnen rückt und das Patriarchat in Gestalt der Begründer der Psychoanalyse verlacht, deren phallozentrischer Blick auf Frauen eine zutreffende Diagnose weiblicher Neurosen verhinderte. Das weibliche Bewusstsein vertauscht die Tonlage seiner feministischen Kämpfe mit der souveränen Sprache verdoppelter und vervielfachter Reflexion, der des Komischen. Der Unernst tritt in seiner geschichtlichen Qualität zutage.

Die Zweistimmigkeit des Textes verdankt sich einer porösen Schreibweise. Laut- und Letternspiele, eine assoziationsreiche saloppe Sprechsprache pflanzen dem Text eine Selbstläufigkeit ein, die den Eindruck vermittelt, die Wörter riefen sich wie bei einem Kinderspiel wechselseitig auf. / Sibylle Cramer, Süddeutsche Zeitung 29.1. (http://www.sueddeutsche.de/r5R388/1800837/Eselszeilen.html)

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