26. Durchlüften

Die Tore des Einfalls sperrangelweit geöffnet: Ein Treffen in Berlin, Prenzlauer Berg, mit der Dichterin und Erzählerin Ann Cotten, dem neuen Wunderkind der deutschsprachigen Literaturszene. / Paul Jandl, Die Welt

Auszug

Literarische Arbeit ist bei Ann Cotten immer auch Poetologie, Nachdenken über das Schreiben und Schreiben selbst sind für sie wie Ein- und Ausatmen. Ihre poetologischen Essays gehören zum Stoffwechsel einer Generation junger Lyriker, die sich auf einschlägigen digitalen Schauplätzen schon einmal einen Schlagabtausch liefern können, wenn Cotten wieder richtig hinlangt. Wenn sie in einem Essay „Etwas mehr“ fordert und gegen die „bürgerliche Trauerlyrik“ polemisiert, die da so sentimental um alle Ecken kommt. „Rührung und Begeisterung und ein bisschen Lebenshilfe sind zu wenig!“, schreibt die Dichterin denen ins Stammbuch, die zur Selbstergriffenheit neigen. „Ohne Befindlichkeit kann man nicht einmal in der Früh aufstehen.“ Aber muss man deshalb gleich Lyrik daraus machen?

Und auch die nüchternen Realisten kriegen ihr Fett weg. Der Ernst muss etwas Spielerisches haben, sonst ist er für die Erkenntnis verloren. Nach diesem Prinzip sind Cottens Bücher geschrieben, und mit genau diesem Prinzip können sie den Leser in den Wahnsinn treiben. Unschuld oder Überschmäh? Bei Ann Cotten weiß man es nicht so genau, und auch wenn man ihr in die braunen Augen schaut, dann wird man nicht schlauer. Sie ist ungerührt. Wie eine Heldin, von ihr selbst erfunden. Nur eben etwas weniger spröde als früher. Wie kam die Änderung? „Beziehungen, Gespräche, Interventionen. Es ergibt sich die Notwendigkeit, die richtige Distanz zu den Menschen zu finden oder sie auf eine brauchbare Weise schwanken zu lassen.“ So einfach kann es sein.

Man kann sich mit Ann Cotten Gedanken machen über das, was in der deutschen Literatur so piefig und behäbig ist, und wo man dringend mal durchlüften müsste. Zur Lockerung versuche sie, die deutschen Philosophen wie ein Bauer zu lesen, in aller Unschuld. Oder sie liest japanische Philosophen, die sich in den Zwanzigerjahren mit Nietzsche auseinandergesetzt haben, da bekämen die tonnenschweren Begriffe noch einmal Flügel, die Gedanken seien voll japanischer Kargheit und hätten zugleich eine große Leichtigkeit. Ann Cotten lebt in solchen Transformationen und geht in ihnen auf.

5 Comments on “26. Durchlüften

  1. Ich frage mich auch, wann endlich mal bemerkt wird, dass Ann Cottens Texte, vor allem ihre „Kritiken“, nichts als Schaumschlägereien sind. Pose, die nervt und noch mehr nervt, je mehr sie vom Feuilleton mit ebenso leeren Worten gelobt wird. Spätestens daran müsste doch klar werden, dass es mit der vielzitierten Cotten-Rebellion nicht weit her ist.

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  2. Nervt.

    Was ist daran nicht zu verstehen?
    (Auch die Stammtisch-Verschimpfer neigen dazu, immer wieder die selben Plätze einzunehmen – soviel zur „Differenzierung“.)

    „Argumente“ sind für A. C. doch auch von gestern: Der ästhetische Versuch wird immer gleich Behauptung.
    Ansonsten zu viel Gelaber im Text – die Ausstellung von Idiosynkrasie und instantan-kapriziöser Denkverirrung. Das an sich selbst verirrende Parlando als weitere nutzlose „Formzertrümmerung“. Die hypostasierte Neurose als Künstlertum. Mayröcker-Verwässerung. Berliner Blutleere. Beliebigkeit, auch wenn sie sich wie jedwede andere ihr Apologetentum schafft.

    Legitim wie jede andere Verirrung, aber in der Prominenz?
    Bitte einmal ein Frisches, tüchtig eingeschenkt, mit weniger Schaum.

    Nervt.

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  3. ad A.Litter: Aha. Das jetzt welche Kritik? Geht es um Gedichte oder die Autorin, Bashing oder argumentative Auseinandersetzung, Stammtisch oder Differenzierung?

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