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Unter den übrigen lesenswerten Beiträgen in der „Kritischen Ausgabe“ möchte ich drei hervorheben: Da sind zum einen die formal wagemutigen Gedichte von Norbert Lange zu nennen, die in unterschiedlicher Weise eine Radikalisierung lyrischer Rede anstreben. Die hier abgedruckte „siebende Dummkopfelegie“ zielt auf eine kunstvolle Demontage des alten Dichterpriestertums, wie es einst Rainer Maria Rilke in seinen Duineser Elegien verkörperte. Ein weiterer Text heißt „Symmetrische Verwüstungen“ – ein schönes Paradoxon, das die Bewahrung und gleichzeitige Auflösung poetischer Ordnung markiert. Der aus Völklingen stammende und in Berlin lebende Konstantin Ames liefert einen erhellenden Kommentar zu den Gedichten von Norbert Lange und verweist auf dessen Gegenposition zu vorgefundenen Autoritäten und Ordnungssystemen. Die konzentrierteste Gedicht-Exegese in der „Kritischen Ausgabe“ verdanken wir Tobias Amslinger, der sich mit den – wie es heißt – „poetischen Entgrenzungen“ der 1982 geborenen Mara Genschel auseinandersetzt. Die Arbeiten von Mara Genschel stellen den Prozesscharakter des Schreibens in den Vordergrund. Viele Gedichte werden als „Rohtexte“ noch einmal graphemisch bearbeitet, mit Streichungen und kleinen handschriftlichen Ergänzungen versehen. Seit 2012 präsentiert die Autorin zudem ihre Texte in kleinen Heften, die unter dem Titel „Referenzfläche“ in Kleinstauflagen von der Autorin selbst vertrieben werden. In seiner brillanten Analyse verweist Tobias Amslinger auf die Buchstabenvertauschungen in Genschels Gedicht über den heiligen Sebastian: Dieses Gedicht funktioniere wie eine „Kippfigur, in der Großes in Kleines übergeht“ und sich das Heilige unmerklich ins Profane verwandelt. In einer kleinen Inscriptio am Ende der Seite macht Genschel klar, dass der Text selbst zum verwundeten heiligen Sebastian wird: „Er steht dort mit geklebten Haarn / am Wegestand und ohne Schrein // zu Füßen ein geschnitzter Reim/unleserlich, ob Kreuz, ob Arm“. / Michael Braun, Poetenladen
Kritische Ausgabe, No. 25
c/o Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft, Rheinische Friedrich-Wilhelm-Universität, Am Hof 1d, 53113 Bonn. 148 Seiten, 6 Euro.
Es ist nicht nur die Gegenposition zu vorgefundenen Autoritäten, sondern auch das Düpieren solcher Popanze (bloß meine Meinung) wie Tom Schulz wegen, warum ich über Norbert Lange geschrieben habe wie ich geschrieben habe, mit, übrigens, entsprechender Fußnote zu Scharfrichter Schulz (Kritische Ausgabe 25 + Metonymie-Anthologie). Die Frage nach Schiffsnamen, und was alle Welt von aller Welt hält, nährt ja niemand klüger.
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