42. Verfall der Poesie im Staate Ch’ên

Im Staate Ch’ên (Chen, 陳: 557–578) ging der Verweichlichungsprozess der Literatur Hand in Hand mit dem luxuriösen Leben des Hofes. Das ausschweifende Leben des  Ch’ên Shu-pao 陳叔寶, in den Annalen Hou-chu 後主 genannt, hat diese Entwicklung der Dinge sehr gefördert. Hsü Ling, Yü Hsin, Chiang Tsung, Yin K’êng, alle Dichter der vorhergehenden Dynastie, wurden an den Hof der Ch’ên berufen. Hier wurde der  von der Nachwelt mit Hsü-Yü-Stil bezeichnete faszinierende, blumenreiche Stil gepflegt. (…)

Die politisch unsichere Lage des Reiches während der Liu-Ch’ao-Periode hat (…) einerseits einen schwarzen Pessimismus grossgezogen, andererseits aber auch einen Hedonismus, dessen einziges Bestreben war, zu leben, solange das Schicksal es gestattete. Besonders in der Zeit des Nan-ch’ao waren die inneren Wirren so gross, dass weder Kaiser noch Adel wussten, ob sie den kommenden Tag noch erleben würden, von dem armen Volke ganz zu schweigen. Wie viele Herrscher hat es denn während des Nan-ch’ao gegeben, die ein ruhiges Alter erleben durften? Die Folge war, dass man sich, soweit es Rang und Reichtum erlaubten, jegliche Freiheit gestattete, dem Wein und den Weibern sich ergab, um von einem Tag in den andern in Genüssen zu schwelgen. (…) Mit eleganten Versen die Gefühle der verweichlichten Schönen des Hofes und Harems zu schildern, diese Art von Poesie hat in diesen Palästen ihren Anfang genommen, und hat unter den Beamten nur zu bald willige Nachahmer gefunden. So ist in der Dichtung der sog. Palaststil, Kung-t’i, entstanden. (…) Diese sentimentalen Liebeslieder wurden jedoch nicht nur im Palast gepflegt, auch unter dem Volk fanden sie bald Gefallen. (…) Es ist bezeichnend für die damalige Zeit, dass man vielfach wertlose Nachahmungen produzierte, ferner dass sich die damalige Lyrik viel mit dem schönen Geschlecht befasste.

Aus: Eugen Feifel: Geschichte der chinesischen Literatur. Mit Berücksichtigung ihres geistesgeschichtlichen Hintergrundes. Dargestellt nach Nagasawa Kikuya: Shina Gakujutsu Bungeishi. Vierte, neu bearbeitete u. erw. Aufl.. Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olme, 1982, S. 204-206.

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