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So gewinnen gerade die Passagen an Farbe, wo Privates und Intimes in den Fokus geraten: Wenn der Leser Stötzer beim Nachspionieren der rätselhaften Barbara aus Halle-Neustadt zuschauen darf oder der Dichter beim Dichten von diversen Störungen heimgesucht wird. „Und meine jüngere Tochter wirft der älteren einen Legostein an den Kopf“ (S.79) – das sind für mich die stärksten Momente in Kuhlbrodts Langgedicht, mag er auch Hölderlin („mein lieber Bellarmin“), Hegel oder Sartre bemühen. So halten sich Bodenhaftung und geistiger Höhenflug bei Kuhlbrodt die Waage, wie auch bei Stötzer, der sich nicht nur für Abstraktes, wie das „Nicht-Existierende“ und das „Seiende“, interessiert, sondern ebenso für die Füchse in Plagwitz und Nutrias am Karl-Heine-Kanal.
Damit ist Kuhlbrodts Epos noch längst nicht erschöpft. Erwähnt werden sollten zumindest die sechs mit „Embolium“ überschriebenen Zwischentexte, die man als geistige Exerzitien oder Meditationen lesen kann. Nr. 6: „Auch Hitler mochte die Winterreise“, ist so ein gelungenes Kabinettstück zum Thema ‚Adler als Wappentier’.
Herausgegeben wurde das, mit expressiven Graphiken von Ivonne Dippmann illustrierte Buch im noch jungen Verlagshaus J. Frank, Berlin, das sich die Publikation von anspruchsvoller Lyrik und Kurzprosa auf die Fahnen geschrieben hat. Kann man nur wünschen: Durchhalten und weiter so! / Thomas Böhme, Fixpoetry
Jan Kuhlbrodt: Stötzers Lied. Illustrationen: Ivonne Dippmann 180 Seiten, Softcover Preis: 13,90 € ISBN: 978-3-940249-67-8 Verlagshaus J. Frank Berlin 2013
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