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Der Laborcharakter zeigt sich in dem titelgebenden Gedicht Dickicht mit Reden und Augen. Es beginnt mit den Versen „Möglichkeit und Methode überschneiden sich / ein kühner Satz bricht sich im Wald, fortan er hinkt / kein Sprung ins Dickicht dringt“. Im Überschneiden von Möglichkeit und Methode, im Wunsch, dichtend die Welt zu erweitern, bilden sich Worte, entsteht ein Satz.
Doch dieser Prozess ist Widerständen ausgesetzt: Der „kühne Satz“ wird in der Engführung zweier Bedeutungsebenen, der als grammatisches Gebilde, und der als weit ausgreifende Bewegung (eines Tiers), gebremst, er „bricht sich“, und: „fortan er hinkt / kein Sprung ins Dickicht dringt“. Trotzdem sind im Sprechen des Gedichts nicht nur Bilder, es ist, im doppelten Sinne des Wortes, auch ein Reim dabei „herausgesprungen“. Wohin nun damit? Es geht aufregend zu in Popps Gedichten. Der Fragehorizont, der sich beim genauen Lesen freisetzt, weist der Vorstellungskraft viele Wege. Das erzeugt einen regelrechten Sog, man möchte sich, von diesen Versen geführt, gerne immer weiter aufregend verirren.
Mit Lust probiert sich hier die Sprache semantisch, rhythmisch, metrisch aus. Bedeutungen werden gesetzt und durchkreuzt („Bedeutung, eine Unterart von Gerümpel“), das vermeintliche Sinnganze ist längst kein Ideal mehr, wo bei aller Lust am Umstülpen („den groben Handschuh berühren, nach innen drehen“) und Zerlegen („Brandungsrauschen zerlegt / die Stimmen im magischen Strass alter Sprachen“) zugleich ein genauer Umgang mit dem Material, sei es auch Gerümpel, vorherrscht. / Beate Tröger, Freitag 14.3.
Im Dickicht mit Reden und Augen. Gedichte Steffen Popp Kookbooks 2013, 88 S., 19,90 €
Beate Tröger ist die Lyrikexpertin des Freitag
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