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Unter den bereits digitalisierten Beständen des Vatikanischen Archivs befindet sich auch die Handschrift des „Lorscher Bienensegens“ aus dem 9./ 10. Jahrhundert. Es steht in der Homiletischen Sammelhandschrift Pal. lat. 220. Mittel- oder oberrheinisches Gebiet (?), frühes 9. Jh., auf Seite: 58r (am unteren Rand auf dem Kopf stehend notiert und sehr gut lesbar). Es handelt sich um eine der ältesten Reimdichtungen in althochdeutscher Sprache. In den meisten großen Lyrikanthologien folgt er gleich auf die Merseburger Zaubersprüche, und auch Thomas Kling nahm ihn in seinen Sprachspeicher mit eigener Übersetzung auf.
Beim Vergleich stellt man leicht fest, daß es beträchtliche Unterschiede zu den angeblich originalen Textfassungen in den meisten Anthologien gibt. Die von mir eingesehenen Bände (Kling, Conrady, Echtermeyer, Detering) verwenden einheitlich eine „normalisierte“ Textfassung. Wenn man wissen will, was wirklich geschrieben steht, muß man die Handschriften konsultieren. Oder die Digitalisate.
Damals gab es noch nicht die Konvention, Zeilen am Versende umzubrechen. Üblicherweise schreibt man in den Ausgaben Langzeilen aus den zwei (außer am Anfang) gereimten Zeilen. Das im Prosastil notierte Manuskript erzwingt das aber nicht. Man könnte daher auch paarweise gereimte Kurzzeilen schreiben, etwa so:
Kirst, imbi ist hûcze
Nû fluic dû, vihu mînaz, hera
Fridu frôno in godes munt
Heim zi comonne gisunt
Sizi, sizi, bîna
Inbôt dir sancte Maria
Hurolob ni habe dû
Zi holce ni flûc dû
Noh dû mir nindrinnês
Noh dû mir nintuuinnêst
Sizi vilu stillo
Uuirki godes uuillon
Ich verwende hier allerdings die textlich bereinigte Fassung. Das zweite Verspaar
Fridu frôno in godes munt
Heim zi comonne gisunt
bei Kling:
im frieden des herrn, in gottes schutz …… kommt gesund nach haus.
lautet eigentlich:
Fridu frôno in munt godes
gisunt heim zi comonne
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