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Sein Leben war wie ein Roman, allerdings wie einer von ihm selbst: Der französische Schriftsteller Raymond Roussel (1877 bis 1933) gibt Rätsel auf. Auch neu erschlossene Texte lösen sie nicht restlos. (…) alles, was man zu Leben, Werk und Sterben dieses von den Surrealisten gefeierten, von den Autoren der Gruppe Oulipo (vor allem Georges Perec) zum genialen Vorläufer deklarierten und von Michel Foucault, der ihm 1962 sein erstes Buch widmete, zu einem der Gründerväter der strukturalistischen Revolution promovierten Schriftsteller sagen mag, wirkt, man ist geneigt anzufügen: zwangsläufig, wie eine von Roussel selbst inszenierte und orchestrierte Erzählung. (…) Testamentarisch hatte Roussel, der 1877 in Paris als künftiger Erbe eines 40 Millionen Goldfranken schweren Vermögens geboren wurde, schon zu Anfang seines Todesjahres verfügt, dass seine Schrift «Wie ich einige meiner Bücher geschrieben habe» erst nach seinem Tod erscheinen dürfe. Als das Buch dann 1935 vorlag, glaubte man in der Tat, den Schlüssel gefunden zu haben. Roussel erläutert dort zum Beispiel, dass er von zwei gleichlautenden (homofonen) Sätzen oder Wortketten ausgegangen sei, die sich nur in einem Phonem unterschieden (etwa wie, um Roussels Beispiel zu zitieren, «billard», Billardtisch, und «pillard», Plünderer), aber einen jeweils vollkommen verschiedenen Sinn ergäben. / Jürgen Ritte, NZZ 1.12.
Raymond Roussel: Locus Solus. In der Druckfassung von 1914 und ergänzt durch Episoden aus der erstmals veröffentlichten Urfassung. Von Stefan Zweifel entziffert, kommentiert und aus dem Französischen übertragen. Nachwort von Stefan Zweifel. Die Andere Bibliothek, Berlin 2012. 492 S., Fr. 45.90.
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