86. 109242 Zeichen

Ein Text wie dieser hier benutzt gerade mal ungefähr 0,08 Prozent aller Schriftzeichen der Welt, richtiger: aller bislang digital erfassten Zeichen von toten, lebendigen, uralten und sehr neuen Schriftsystemen. Das sind zur Zeit 109242, und sie bilden eine der faszinierendsten Sammlungen der letzten Jahrzehnte. ‚Unicode‘ heißt die globale ‚digitale Inventur‘, die nun in einem Katalog von Johannes Bergerhausen und Siri Poarangan(‚decodeunicode – die Schriftzeichen der Welt‘, Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2011. 656 Seiten, 68 Euro) erschienen ist. Es handelt sich dabei um ein Projekt der Fachhochschule Mainz, das die Sammlung auch online (decodeunicode.org) sichtbar gemacht hat. …

Die vorliegende Enzyklopädie enthält die rund 75000 japanischen, chinesischen und koreanischen Logogramme ebenso wie das Schriftsystem der südindischen Sprache Telugu oder das älteste slawische Alphabet Glagoliza. Die Braille-Zeichen stehen gleichwertig neben denen der malaiischen Buginesen-Schrift und auch die japanischen Emojis, sämtliche Satzzeichen und Symbole wie der G-Schlüssel oder die Eisenbahn hat das Unicode-Konsortium erfasst, das 1991 als Non-Profit-Organisation gegründet wurde und zu dessen Mitgliedern IT-Branchen-Vertreter, Schriftanbieter, Universitäten und Regierungen zählen. Dabei ist noch längst nicht zu Ende gesammelt: Die Byblos-Schrift aus der Mitte des zweiten Jahrtausends vor Christus etwa ist noch gar nicht entziffert und Masaba, die Verschriftung des Massai-Dialekts Bambara in Mali wie viele andere noch nicht codiert. / SUSANNE GMÜR, Süddeutsche Zeitung 15.7.

3 Comments on “86. 109242 Zeichen

  1. In dem sonst durchaus sehr lesenswerten Artikel „Babel war gestern“, Süddeutsche Zeitung Nr. 161 vom 15. Juli 2011 schreibt Susanne Gmür, dass „Masaba, die Verschriftung des Massai-Dialekts Bambara in Mali [,] wie viele andere noch nicht codiert“ sei.

    In dieser Aussage stecken leider gleich mehrere Fehler:

    Masaba ist eine Sprache, die zu den Bantusprachen gehört, einer Untergruppe der Niger-Congo-Sprachen in Zentral-, Süd- und Ostafrika, und die von mehr als einer Million Menschen (nämlich der Ethnie der Bamasaba) in Ost-Uganda gesprochen wird. Die Maasai sind eine Ethnie von knapp einer Million Menschen, die vor allem in Kenia (in Ostafrika) lebt. Sie sprechen eine Sprache, die zu den Nilo-Saharischen Sprachen gehört: das Maa. Die Bambara wiederum sind ein Volk von etwa vier Millionen Menschen, das vor allem in Mali (in Westafrika) lebt. Ihre Sprache, das Bamanakan, das in weiten Teilen Malis und darüber hinaus auch Verkehrssprache ist, gehört zu den Mande-Sprachen, einer anderen Untergruppe der Niger-Congo-Sprachen in Westafrika. Für die Mande-Sprachen (knapp 20 Millionen Sprecher) wurde 1949 von Solomana Kanté mit antikolonialem Impetus eine eigene, an das Arabische angelehnte Schrift entwickelt (die N’ko-Schrift), die auch von manchen Bamanakan-Sprechern verwendet wird und seit Juli 2006 als U+07C0-U+07FF kodiert ist. Schließlich sollte man nicht alle schriftlosen Sprachen (mehr oder weniger abwertend) als „Dialekt“ bezeichnen – wenn auch die Abgrenzung zwischen „Dialekt“ und „Sprache“ wissenschaftlich nicht immer trennscharf möglich ist. Gemeinhin bezeichnet man als Dialekt jedoch nur die örtliche Ausprägung einer weithin verstandenen Standardsprache.

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