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Der Glaube ist ein Rucksack, den sie auf den Schultern des Mannes spürt, der in ihren Armen liegt. Der Glaube und das angebliche Wissen. „Ich bin schon die Frau, die wachsam lebt, / du der schreckliche Mann, der erwacht.“ Weil sie spürt, wie er mit jedem Stoß aus dem einen in das andere, das gemeinsame Leben dringt, wie er den Rucksack hinter sich läßt und schweißnass aus dem Alten drängt, wie er umarmen lernt und vereinen, glaubt sie doch manchmal an die Liebe. Die Liebesgedichte von Alfonsina Storni gehören zu den intensivsten und schönsten, die man in der Weltliteratur finden kann.
„Nicht du bist es, der mich betrügt; der mich betrügt, ist mein Traum“ – oft klingt sie, als habe sie aufgehört zu hoffen und eine tiefe Trauer liegt in ihrer Stimme. Die Inhalte ändern sich, die Gedichte verändern sich, werden ab 1925 expressionistisch gefärbt, ohne Wortgewalten loszutreten. Die klare Linie bleibt ihr treu, aber die Stadt wird zum Thema, der schlammschwangere Fluß, die Straße als Passage zwischen eingezimmerten Träumen und toten Gedanken. Dennoch taucht die Liebe wieder auf, bleibt und geht, kommt und flieht. „Die Männer laufen frei herum, / wie Hunde ohne Herrn“. Sie kleiden ihr animalisches Erbe in einen Frack und furzen in Champagnerlaune Weltpolitik in die zigarrenschwere Luft. Die dreißiger Jahre sind dekadent und egoman. Der Mann weiß noch nicht, daß er ein Trottel ist und hält sich für den Herrscher der Welt. Er glaubt sich fast alles und anderen nichts. / Frank Milautzcki, fixpoetry.com
Alfonsina Storni: Blaue Fledermaus der Trauer. Gedichte. Zweisprachig Spanisch/Deutsch. Übersetzung von Reinhard Streit. teamart Verlag, Zürich 2009.
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