81. Erfindung des jüdischen Volkes

Der israelische Historiker Shlomo Sand hat mit „Die Erfindung des jüdischen Volkes“ einen Verkaufsschlager geschrieben, der in Israel monatelang auf den Bestsellerlisten stand. In seiner Heimat löste das Buch ebenso heftige Debatten aus wie in Frankreich, England oder den USA. Seine Kritiker beschimpften ihn als „Israelhasser“. Von linken Intellektuellen wie Eric Hobsbawm, Tony Judt oder Terry ­Eagleton wurde die Dekonstruktion des Zionismus heftig bejubelt.

Schon das Motto der 500-seitigen, ziemlich flüssig geschriebenen Abhandlung birgt Sprengstoff: „In Erinnerung an alle Flüchtlinge, die dieses Land erreichten, und an all jene, die es verlassen mussten.“ Damit ist auch die Biografie des Verfassers angesprochen: Shlomo Sand wurde 1946 als Kind polnischer Juden in einem Flüchtlingslager bei Linz geboren, die Familie wanderte im Jahr der Gründung des Staates nach Israel aus. In einem kommunistisch geprägten Elternhaus und in Jaffa in arabisch-jüdischer Umgebung aufgewachsen, gehört zu Sands Freunden auch der palästinensische Dichter Mahmud Darwisch, der ihm anlässlich des Sechstagekrieges sein berühmtes Gedicht „A Soldier Dreams of White Lilies“ widmet. Nach Studium und Universitätskarriere in Frankreich lehrt Shlomo Sand heute Geschichte in Tel Aviv – er bezeichnet sich als „Postzionist“ und tritt für Gleichberechtigung und „vollwertige Autonomie“ der Palästinenser ein; eine Rückkehr der nach dem Unabhängigkeitskrieg Vertriebenen hält er realistischerweise für ausgeschlossen. / Erich Klein in Falter : Wien 29/2010 vom 21.7.2010 (Seite 18)

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..