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Schon in seiner Kindheit träumte er vom weiten Erdenrund und davon, sich darauf zu bewegen, aber nicht hoch in den Lüften, sondern hautnah, authentisch, den Elementen ausgesetzt, den Aufregungen und Wellengängen des Menschenlebens. Am liebsten zur See: „Nachts / beim Lampenschein las ich den Atlas / Und befuhr den Globus. So, schon / Damals kannte ich / St. Amaliens Hafen, Kuba und die / Antillen.“ …
Auf keinem Schiff blieb er lange, „die Kapitäne sahen es nicht gerne“, schrieb er später, „wenn ich meinen Mund aufmachte. Das war das einzige, was wirklich groß an mir war, der Mund, sonst war ich eher klein geraten.“ Noch größer als der Mund müssen die Augen gewesen sein, mit denen der junge Seefahrer Tausende Bilder, Details, Stimmungen, Farben in sich aufnahm. Als er irgendwann in seinen Zwanzigern zu einer relativen Ruhe fand und zu schreiben begann, stürzten die Metaphern und Gleichnisse aus ihm heraus, bildeten klare Kaskaden von Worten, füllten die Seiten seiner Gedichtbände.
Johannes Schenk schrieb am liebsten lange, bilderreich ausschweifende, von keinem Kargheitsgebot behinderte Poeme. Der Schreibvorgang hatte in seinem Fall etwas Eruptives: für ein langes Gedicht, manchmal mehrere Buchseiten lang, brauchte er „oft nur eine Stunde“. Sein längstes Poem, „Galionsgesicht“, umfasst in der neuen Gesamtausgabe des Wallstein Verlags 111 Seiten. …
Johannes Schenks Gedichte verdienen es, auf diese Weise verewigt zu werden, wie der seltsam scheue, weltgewandte, dabei einsam arbeitende Mann, der dahintersteht. / Chaim Noll, Die Welt
Johannes Schenk: Die Gedichte 1964-2006. Wallstein, Göttingen. 3 Bde., 1386 S., 59,90 Euro.
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