130. Bayerisches, Allzubayerisches

Der Dichter Erich Mühsam (1878 bis 1934) war am Sturz der bayerischen Monarchie sowie der Gründung der anarchistischen Münchner Räterepublik führend beteiligt und verbrachte danach mehrere Jahre in Festungshaft. Von seinem Wirken im Raum Rosenheim zeugt u.a. das Gedicht „Bayerisches, Allzubayerisches“ von 1926, in welchem er satirisch die offene Zusammenarbeit des konservativ-königstreuen Bürgertums mit völkisch-nationalistischen Kräften kritisiert. Der Antimilitarist, Antifaschist und Radikaldemokrat wurde in der Nacht des Reichstagsbrands verhaftet und in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 1934 von der bayerischen SS-Wachmannschaft des KZ Oranienburg ermordet.

Gemäß des Mühsam-Mottos “Sich fügen heißt lügen“ sind viele seiner Gedichte auch heute, 75 Jahre nach seinem Tod, noch aktuell. Sie können anspornen, alle Formen von Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung zu kritisieren und für eine solidarische Gesellschaft jenseits von Nation, Rasse, Geschlecht und kapitalistischer Verwertungslogik einzutreten. / bgland24.de

Die republikfeindlichen Reden, die zu diesem Anlass in Rosenheim gehalten werden, kontert Mühsam mit einem satirischen Gedicht, das mit den unheilschwangeren Zeilen anhebt: „Sie zogen auf in Rosenheim / mit Pauken und Trompeten / mit Ehrenjungfraun, Rührungsschleim / mit Jodlern und Gebeten“. Unter dem Titel „Bayerisches, Allzubayerisches“ legt Mühsam darin die denkbar unglücklichen Annäherungsversuche eines konservativ-königstreuen Bürgertums an dieselben völkisch-nationalistischen Kräfte offen, denen es nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten selbst zum Opfer fallen sollte. Noch aber grüßen die Rosenheimer den Kronprinzen ebenso „bierstimmig“ und „hofbräutönig“ wie den rechtsradikalen Sympathisanten der Thule-Gesellschaft – ersteren konsequenterweise mit „Hoch!“, letzteren mit „Heil!“. Mühsam reimt: „Hoch schlug der Rosenheimer Herz; / der Jubelschrei erschallte: / Heil Arco, der von hinterwärts / Kurt Eisner niederknallte!“ Von seiner linken Position aus schloss der Autor dieses Kampfgedicht aber gleichermaßen drohend wie ironisch: „Und wie’s in Rosenheim geschehen, / stets soll – so wolln wir hoffen – / der Mörder mit dem König gehen … / Wohin? – – – Das bleibt noch offen!“ / Michael Pilz, pressewoche.de

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