Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Bekannt ist er mittlerweile weltweit, seine bilderreichen, archaisch-kryptischen Gedichte (die in China zur avantgardistischen Richtung der «obskuren Lyrik» zählten) wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Auf Deutsch erschienen seit 1987 mehrere Bände, nun liegt im Suhrkamp-Verlag die bisher umfangreichste Auswahl von Gedichten und Essays vor – eine faszinierende Lektüre. …
Über die chinesische Sprache notiert Lian treffend: «Das Chinesische verfügt über keine den europäischen Sprachen entsprechende Grammatik, die eine Handlung oder eine Sache mittels genauer Definition von Person, Tempus, Kasus und Numerus einzufangen versucht. Das auffälligste Charakteristikum des Chinesischen ist die Unveränderlichkeit der Verben und damit der Verzicht auf raumzeitliche Konkretion zugunsten ihrer Abstraktion. Dadurch wird suggeriert, dass nicht eine Wirklichkeit an sich besteht, sondern nur die Sprache.» Anders ausgedrückt: Das Chinesische strebt zum Universellen und Allgemeingültigen, wobei «jedes Schriftzeichen bereits ein Gedicht ist, ein vielschichtiger Bedeutungsraum». Hinzu kommt der freie Satzbau, der eine «unbekümmerte und assoziative Fügung der Bilder» sowie eine «schnelle Folge poetischer Einfälle erlaubt». Lian formuliert damit implizit seine eigene Poetik, ohne zu verschweigen, was er seinen Übersetzern abfordert. / Ilma Rakusa, NZZ 24.4.
Yang Lian: Aufzeichnungen eines glückseligen Dämons. Gedichte und Reflexionen. Aus dem Chinesischen von Karin Betz und Wolfgang Kubin. Mit einem Nachwort von Uwe Kolbe. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2009. 287 S., Fr. 49.50.
Neueste Kommentare