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Bei peter-hacks.de schreibt ein anonymer Blogger:
Kalte Konserve
StO
am 24/01/2010
in Tagesmeldungen
.
Der Artikel ist fast drei Jahre alt und taucht nun noch einmal in dem Blog Lyrikzeitung auf. Stephan Wackwitz schrieb in dem Magazin Literaturen über Peter Hacks und kanzelte seine Dichtung als „preußisch-sozialistischen Staatsrokoko“ ab:
Der kommunistische Schriftsteller Peter Hacks hat seine geniale Lyrik, seine anregend skurrilen Essays und seine leider sterbenslangweiligen Dramen zeitlebens unter dem Einfluss eines narzisstischen Phantasmas geschrieben: Er war heimgesucht von der Vorstellung, der Molière oder Goethe des ersten sozialistischen Staates zu sein. Diese phantasmatische Identifikation mit der deutschen oder der französischen Klassik findet sich als (meist ironisch-kokette) Anspielung überall dicht unter der Oberfläche seines Werks und der zahlreichen darin verstreuten Selbstdeutungen.
Der Blogger ohne Namen fragt nun, ob man das vielleicht auch umgekehrt sehen könne: geniale Dramen, überschätzte Lyrik? – und wartet auf eine Antwort.
Gut, ich warte nicht länger auf eine Antwort und geb sie selber, gern auch unter meinem Namen. Der Artikel von Stephan Wackwitz war von 2007 (meine Kommentar-Frage von 2010). Hier eine L&Poe-Meldung vom März 2003:
Hacks über Hacks (Wem gehört die Lyrik)
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gehört einfach Thomas Mann und Brecht. Thomas Mann gehört die Prosa und Brecht das Drama und die Lyrik.
Was ich Ihnen als Vermutung anbiete, ist, daß die zweite Hälfte Arno Schmidt und mir gehört. Arno Schmidt für Prosa, mir für Dramatik und die Lyrik. Das sage ich mit dem Vorbehalt eines Menschen, der wirklich weiß, daß dies eine Art von Urteilen ist, die eigentlich nicht fällbar sind. Aber ich kann ja nicht so tun, als hätte ich kein Urteil. / junge Welt 21.3.
Peter Hacks wird heute 75. Er hat schöne und gute Sachen geschrieben – törichte auch. Man soll seine (auch seine) Texte nicht für seine Meinungen haftbar machen. Der Untergang des Sozialismus scheint ihm irgendwie als die logische Konsequenz einer Verschwörung gegen Hacks (oder umgekehrt). L&P gratuliert. …
Zu seinem Geburtstag erschien ein Band mit Beiträgen von Klaus Ensikat, Eberhard Esche, Georg Fülberth, Hermann Kant, Rainer Kirsch, Wolfgang Kohlhaase, Sahra Wagenknecht etc. pp.
André Thiele (Hrsg.): In den Trümmern ohne Gnade. Festschrift für Peter Hacks. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2003, 256 Seiten, 14,90 Euro
Das war vor fast sieben Jahren. Inzwischen scheint sich Hacksens Selbsturteil durchgesetzt zu haben. Immer öfter liest und hört man von dem großen oder genialen Lyriker Peter Hacks, so auch bei Wackwitz. Und stimmt es? Nein, ich halte beide Seiten des Urteils für falsch. Ob Hacks ein sterbenslangweiliger Dramatiker ist? Ich habe etliche Aufführungen gesehen und mehr Stücke gelesen, wenn auch nicht alle. Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe sterbenslangweilig? Moritz Tassow Staatsrokoko? Ach, das ist nichts als ein Klischee.
Und seine Lyrik? Hacks ist meist originell und witzig, selbst da, wo man die darin ausgedrückten Meinungen für abwegig hält. Aber genial? Gar der König seines Halbjahrhunderts? Er ist ein geschickter Lyriker, nicht ohne eine Neigung zum Kunsthandwerk. Das ist gut und fast immer lesenswert. Das ist doch schon viel. Und die Namen, die mir unter den Lyrikern 1950-2000 wichtiger sind, ersetze ich hier mal durch je einen Punkt:
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Greifswald, 24.1. 2010
Michael Gratz, lyrikzeitung.de
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