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Ins literarische Gedächtnis schreibt sich in diesem «Akzente»-Heft auch ein eigenwilliger Autor mit Gedichten und Aphorismen ein, der in dunkler Stunde Europa verlassen hat und erst allmählich hierzulande wieder einen Namen trägt, den man nennt: der 1937 in Wiener Neustadt geborene und seit langem in Jerusalem lebende Elazar Benyoëtz, ein Wortspieler und Wortkünstler ersten Ranges. «Das natürlichste Deutsch / nach Auschwitz / wäre Jiddisch // Nun ist Deutsch / die natürliche Sprache / nach Auschwitz», lautet eine seiner knappen und denkwürdigen Überlegungen.
Nebst vielen anderen Schreibenden aber begegnet man hier auch einer Autorin, welche aus der wenig wahrgenommenen Kulturlandschaft der Lausitz stammt. Róza Domascyna, 1951 geboren, lebt in Bautzen, schreibt Lyrik und Prosa in deutscher und sorbischer Sprache und gehört demnach zu einer Minorität innerhalb der westslawischen Sprachgruppe. Mit der vielsagenden Überschrift «Gedächtniskraut» versieht sie ihre drei Gedichte und hofft vielleicht, dass gegen das Vergessen doch ein Kraut gewachsen wäre. Sie überrascht in «Naturgedicht», einem längeren Poem, mit ausgedehnten botanischen Kenntnissen und lässt hier wie in den beiden anderen Texten vermuten, dass die Nähe zur Volksdichtung und zum Liedgut noch immer als ein lyrischer Anreiz wirksam ist. Stimmen wie diejenige von Róza Domacyna bereichern das Gewebe der deutschsprachigen Lyriklandschaft um neue Farben und alte Traditionen.
/ Beatrice Eichmann-Leutenegger, NZZ 26.3.04
Akzente. Zeitschrift für Literatur. Heft 1, Februar 2004. 108 S., Euro 7.90 (Hanser-Verlag, München).
neue deutsche literatur. Zeitschrift für deutschsprachige Literatur. Heft 1, Januar/Februar 2004. 194 S., Euro 10.- (Aufbau-Verlag, Berlin).
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