Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Nein, nicht das zwanzigste (mörderische). Erstaunliches nämlich berichtet Andreas Dorschel, SZ 9.2.04:
Ein unscheinbar daherkommender Band enthält einiges vom Eindringlichsten, das in jüngster Zeit in deutscher Sprache zu lesen war: Gedichte Francisco de Quevedos (1580 bis 1645), ausgewählt und aus dem Spanischen übersetzt von Werner von Koppenfels. Aus dem schwarzen siebzehnten Jahrhundert ragt ja manches in die Gegenwart des einundzwanzigsten hinein, strenge und gefährliche Bücher, die deren Denken fesseln und anhaltend fesseln werden – Thomas Hobbes’ „Leviathan“ etwa oder Baltasar Graciáns „Oráculo manual“. Gegenüber diesen beiden Zeitgenossen sind Quevedos Aussichten aus seinem Turm, der in Madrid und in der Hölle stand, jedoch ein Drittes; anders als mit Staatslehre und Kalkül der Klugheit reagiert Quevedo auf die Schrecken der Zeit, obschon die eine wie das andere in seinem Werk gelegentlich bemerkenswerte Auftritte haben. … Man könnte Quevedos Gedichte mit gelehrten Kommentaren über barocke Emblematik neben sich studieren. Doch nicht einzig so. „De todo lo que ignoras te aprovechas“, sagt der Dichter einmal, „Nichtwissen ist Gewinn, den du empfängst“, wie Koppenfels übersetzt. Man dürfte sich demgemäß auch unbelehrt in Quevedos Rätsel stürzen, bis der Kopf dröhnte von denselben: ein Zustand nicht ohne Missverständnis, in den man so wohl geriete, doch produktiven Missverständnisses, wie ich selbst erfahren zu haben glaube.
FRANCISCO DE QUEVEDO: Aus dem Turm. Moralische und erotische Gedichte, Satiren und Grotesken. Zweisprachige Ausgabe: Spanisch – Deutsch. Ausgewählt und übertragen von Werner von Koppenfels. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2003. 303 Seiten, 20 Euro.
Hier das Gedicht über die Vorzüge des Nichtwissens im Original.
Neueste Kommentare