«Steine»

ist der längste und beeindruckendste von Urweiders Gedichtzyklen überschrieben. Er beginnt, als wollte er eine Phänomenologie des Gesteins entwerfen: «Steine werden aus dem meer gewaschen, / dem meer, von wo die schwalben kommen». Das lässt sich ganz harmlos an, doch schon im dritten und vierten Vers gerät das Gedicht in die verschatteten Zonen: «die schwalben, die dunkelgrau, fast schwarz / in schwärmen gegen die sonne stehen». Zeichen werden gegen den Himmel geschrieben, dunkel heben sie sich ab vom lichten Hintergrund und stehen als Warnung über einer Landschaft, die leicht als Idylle erscheinen könnte. «Steine, ungeschliffene, nicht polierte, / zeigen ihre farben erst durch wasser.» Unbeirrt fährt derweil das Gedicht mit seinen Erkundungen fort, während zugleich von täglichen Gängen die Rede ist: «in richtung spital oder vom spital zurück», so heisst es, ganz lapidar: «ein abstecher sozusagen, / vorbei an grossflächigen fenstern verschiedener therapiestationen». / Roman Bucheli, NZZ 16.9.03

Raphael Urweider: Das Gegenteil von Fleisch. Gedichte. Dumont-Verlag, Köln 2003. 90 S., Fr. 32.80.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..