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1556 Epigramme des römischen Dichters Martial sind überliefert, hunderte weitere wurden wegzensiert oder gingen auf anderem Wege verloren, schreibt der Rezensent des Guardian (6.9.03) zu einer neuen Übersetzung durch den irischen Dichter und Professor dazu, Brendan Kennelly. Folgt eine aufschlußreiche Liste der Gegenstände dieses Epigrammwerks, die geeignet scheint, neben Martin Opitzens Liste der Gegenstände von „Lyrica“ zu stehen:
buhlerey/ täntze/ banckete/ schöne Menscher/ Gärte/ Weinberge/ lob der mässigkeit/ nichtigkeit des todes/ etc. Sonderlich aber vermahnung zue der fröligkeit
Hier also die (halbe) Definition des Epigramms durch Kennelly:
money, food, wine, furniture, style, power, sex, corruption, love, hatred, streets, darkness, families, poverty, snobbery, poets, poetry, polished deceit, aesthetic backstabbers, High Art, low artists, metropolitan egotism and arrogance, politics, escape to the countryside, property, law, education, greed, manipulative men and women, cliques, loners, talkers and chatterboxes of every shade and motive, patrons, misery, the happy life, clothes, enemies, gossip, friends, flattery and the old, constant problem of personal survival and hope of self-renewal.
Der Rezensent des Guardian fügt zwei hinzu: Skatologie und Pornographie – welche Kennelly zum größten Teil auslasse. Hier eine Probe aus seiner Übersetzung (X, 47):
What constitutes a happy life?
Enough money to meet your needs
steady work
a comfortable fire
a clear distance from law
a minimum of city business
a peaceful mind and a healthy body
simple wisdom and firm friends
enjoyable dinners and plain living
nights free from care
a virtuous wife who’s not a prude
enough sleep to make the darkness short
contentment with the life you have,
avoiding the sneer, the poisoned sigh;
no fear of death
and no desire to die.
82 Wörter brauche der Übersetzer für Martials 67, was ein guter Schnitt sei angesichts der inflationären Tendenzen des Englischen gegenüber dem Latein. Nun denn – die folgende deutsche Version bringt es auf 109:
X, 47 Lebenswahl
Das, was das Leben uns verschönt,
mein bester Freund Martial, ist dies:
Vermögen, das dir hinterblieben, nicht mit Mühsal ist verdient –
ein Land, das fruchtbar ist – ein Herd, der immer brennt –
Prozesse nie – die Toga kaum – das Denken ruhig –
die Kräfte ganz naturgemäß – der Körper frisch –
dann kluge Einfachheit –
und Freunde, die zu einem passen –
bequeme Gäste bei der Tafel –
die Mahlzeit schlicht –
die Nächte nicht berauscht und frei von Sorgen –
das Bett nicht freudlos, aber keusch –
ein Schlaf, der dir die Zeit der Dunkelheit verkürzt –
man soll zu sein begehren, was man ist,
nichts lieber sein als das:
den letzten Tag soll man nicht fürchten und nicht wünschen.
Deutsch von Walter Hofmann, aus: Martial, Epigramme. Leipzig: Reclam 1969, S. 96. Hier das Original:
XLVII
Vitam quae faciant beatiorem,
Iucundissime Martialis, haec sunt:
Res non parta labore, sed relicta;
Non ingratus ager, focus perennis;
Lis numquam, toga rara, mens quieta; 5
Vires ingenuae, salubre corpus;
Prudens simplicitas, pares amici;
Convictus facilis, sine arte mensa;
Nox non ebria, sed soluta curis;
Non tristis torus, et tamen pudicus; 10
Somnus, qui faciat breves tenebras:
Quod sis, esse velis nihilque malis;
Summum nec metuas diem nec optes.
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