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Die meist freien, gelegentlich gereimten Verse lesen sich flott weg; der Ton ist süffig, schelmisch, genießerisch und selbstsicher. Im Mittelteil werden, knapp und mürrisch-lüstern, die Kopulationen eines vertrauten Paars beschworen. Das mag auf den ersten Blick ein bisschen beherzt wirken – wenn etwa das „Wunder“ geschieht und „er“ steht –, doch fühlt man auch Rührung angesichts solchen Muts zur Blamage und zur zotigen Ironie. Derlei zwiespältige Gelegenheitsverse wären vielleicht im Nachlass vornehmer verwahrt, doch ein G. G. scheint nicht der richtige Mann fürs Aufbewahren, fürs Liegenlassen zu sein. /Ina Hartwig, FR 27.8.2003
Günter Grass: Letzte Tänze. Gedichte und Bilder. Steidl Verlag, Göttingen 2003, 96 Seiten, 35 Euro
Ha, schon ist das Publikum gespalten. Marcel Reich-Ranicki feiert den Lyriker – und besonders den erotischen – auf einer ganzen FAZ-Seite (30.8.2003):
Es sind Verse voll Glück, voll Leid und Mitleid, doch ohne Selbstmitleid, voll Zucht und auch Nachdenklichkeit. Sie machen spürbar und erkennbar: den Rausch und die Abgeklärtheit, die Seligkeit und, zwischen den Zeilen, die Abschiedsstimmung.
Am anderen Ende Wiglaf Droste (taz vom 29.8.2003):
Nun gab Grass dem Spiegel Texte aus seinem neuen Buch „Letzte Tänze“ zum Vorabdruck, salatenes Gestammel, das Grass in doppeltem Irrtum für lyrisch und für erotisch hält. Eins der Teile heißt „Ein Wunder“ und geht so: „Soeben noch schlaff und abgenutzt / Nach soviel Jahren Gebrauch, / Steht Er / – Was Wunder! / Er steht -, / Will von dir, mir und dir bestaunt sein, / Verlästert und nützlich zugleich.“
(Nuja – soll´n s´n haben, alle beide)
Mehr: Thüringer Allgemeine 2.9. / Die Zeit 37/03 (Raddatz)
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