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In der Frankfurter Anthologie vom 31.3. bespricht Norbert Mecklenburg Brechts Sonett „Über Goethes Gedicht „Der Gott und die Bajadere““
Daß im Atemholen zweierlei Gnaden sind, erfuhr jetzt auch Hanns-Josef Ortheil in der „ Welt „:
Ich war schon auf etwas Hochgestemmtes, Verkrampftes gefasst, als ich [bei Hummelt] las: „kein wachslicht, welches zu entzünden/ wäre. u. nur das fehlen jeglicher symbolik/ erinnert mich, so daß mir mulmig wird.“
Da atmet man richtig auf, denn oft haben Gegenwartsgedichte ja etwas entsetzlich Peinliches, und das nicht nur, weil sie meist zu betulich und wichtigtuerisch sind. Vielmehr liegen sie vor allem deshalb so oft grausam daneben, weil viele Lyriker in Gedichten unter ihr sonstiges Denk- und Empfindungsniveau gehen, gerade so, als könnte man mit Gedichten alles machen.
/ (31.1.01)
Joseph Beuys hat einmal gesagt: „Jeder Mensch ist ein Künstler!“ Ich sage: „Jeder Mensch ist ein Dichter!“ Also bitte die linke Hirnhälfte entspannen und die Inspiration aus der rechten fliessen lassen, dann dichtet es sich ganz wie von selbst. Bitte die Gedichte anderer, wenn überhaupt, möglichst sachlich kritisieren, gegebenfalls höflich darüber hinweggehen. (Ohnehin wird ja vieles eher als Spass gemeint sein. Oder, um mit Ernst Jandl zu sprechen: Wo bleibt der Humooorrrrrr? ;-)) [na so ähnlich, mg]
Allerdings sind auch besonders geschätzte Gedichte berühmter oder weniger berühmter Poeten wie Shakespeare, Goethe, Mörike, Hölderlin, Rilke, Benn usw. usf. gerne gesehen, ebenso wie Liedtexte. (Lieder sind ja ursprünglich nichts anderes als gesungene Gedichte.) Alles ist herzlich willkommen.
Die Zeit Debatte Lyrik (kann man mitdiskutieren und mitdichten)
Hamm ist mit dem Werk Pessoas , der „bei weitem wichtigsten Spätentdeckung der modernen Weltliteratur“, seit über dreißig Jahren vertraut. In den 80er-Jahren hat er einen Film über den großen Melancholiker gedreht, der ? nach einer Jugend in Südafrika ? zwischen 1905 und 1935 in Lissabon ein denkbar unauffälliges und ereignisloses Leben führte, sein Werk (dafür?) aber mit zahlreichen erfundenen Gestalten bevölkerte. Die Frage, ob die Erfindung dieser Heteronyme dem Lebensüberdruss eines grenzenlos Einsamen oder der Lust an der Vielgestaltigkeit und am literarischen Versteckspiel entsprang, mochte Hamm nicht beantworten. Wie ließe sie sich auch entscheiden? Pessoas Devise „Sei vielgestaltig wie das Weltall!“ und sein schöner hybrider Satz: „Gott ist nicht einer, wie könnte ich es sein!“ sind das eine; sein unglückliches, durch exzessiven Alkoholismus schon mit 47 Jahren beendetes Leben ein anderes. Kausalitäten zwischen beidem zu stiften, gehört in den Bereich der Spekulation. / Badische Zeitung 30.3.01
wohnten manche von uns in Traumworten – unser traumatisches Heim in der Heimatlosigkeit.» So schrieb Rose Ausländer im Rückblick auf ihr Überleben im Ghetto von Czernowitz. Dorthin war sie 1941, als Rumänien an der Seite Nazideutschlands in den Krieg trat, zusammen mit ihrer Mutter deportiert worden. Es gelang ihnen, sich im Ghetto zu verstecken, und sie entkamen so dem Abtransport in die Vernichtungslager. / Konrad Tobler, Berner Zeitung 28.3.01
Als Lyrikerin seit ihrem 17. Lebensjahr – „in den wilden Jahren“ – und mit sechs Bändchen neben „fast sechs Romanen“ lobt die Isländerin Deutschland als das „Wunderland für Lyrik, das einzige Land, wo Lyrik verkaufbar ist“, ebenso wie später für das hier vorhandene Umweltbewusstsein. (sagt die isländische Schriftstellerin Steinunn Sigurdardottir in der Fuldaer Zeitung 27.3.2001)
dass ein Fuchs für alles steht / Was eine Ehe auf die Probe stellt und sie als Ehe erweist-, / Ich wäre nicht gescheitert. Wärst du es? / Aber ich versagte. Unsere Ehe hatte versagt.“ So endet das Gedicht. Er hat es „Epiphanie“ genannt. Denn für einen Schamanen ist ein Fuchs nie nur ein Fuchs.
Ted Hughes: Wie Dichtung entsteht. Essays. Ausgewählt und übersetzt von Jutta Kaußen, Wolfgang Kaußen und Claas Kazzer. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2001. 291 S., 39,80 DM. / Volker Sielaff, Potsdamer Neueste Nachrichten 28.3.01
des Leonce-und-Lena-Wettbewerbs, der ja dem Dichter-Nachwuchs gewidmet ist, gehört auch die Ignoranz der Vorjurys, die mit blamabler Beharrlichkeit die interessanten jungen Dichter dieser Jahre einfach übersahen. So konnte Thomas Kling, der diesmal als Ehrengast des „Literarischen März“ geladen war, in schöner Ironie den Darmstädter Mundartdichter Ernst Elias Niebergall paraphrasieren, um seine eigene Chancenlosigkeit in Erinnerung zu rufen: „Ich kumm in Darmstadt uff kahn grihne Ast“. / schreibt Michael Braun in der FR , 27.3.01
Darf man über den großen Lyriker Paul Celan eine Oper schreiben? Man darf: „Celan“ von Peter Ruzicka und Peter Mussbach erfolgreich in Dresden uraufgeführt
„Der Dichter ist reiner Stahl, hart wie ein Kiesel.“ Das könnte auf den Lyriker Paul Celan gemünzt sein, hätte Novalis den Satz nicht unendlich lange vor Celans Leben niedergeschrieben. Aber – Zufall oder Fügung – just am zweihundertsten Todestag des romantischen Geistes, eines „Vorläufers“ der Dichtung der Moderne, wird Peter Ruzickas „Musiktheater in sieben Entwürfen“ mit dem schlichten Titel „Celan“ uraufgeführt. In Dresden, dem abgründigen Symbol des Kriegs, der Zerstörung, des Todes durch den von Deutschen verursachten Terror. „Todesfuge“ heisst das Gedicht von Paul Celan, Sprachmahnmal für das Unfassbare, den Holocaust. Es hat längst Aufnahme in die Lesebücher gefunden. / Süddeutsche 27.3.01
Dazu schreibt auch die Frankfurter Rundschau vom 27.3.:
Celan ist eine Schicksals-Chiffre. Der Name des Dichters Paul Celan steht für jene jüdischen (oder kommunistischen, homosexuellen, Roma-) Überlebenden der Nazi-KZs, die viel später noch von dieser Vergangenheit zur Strecke gebracht wurden (nach wiederholter psychiatrischer Behandlung stürzte er sich 1970 in die Seine). Celan war in seiner Dichtung prekär an die deutsche Sprache, die der Täter, fixiert. Mit der Todesfuge brachte er das Unsagbare, das schlechthin Nicht-Kunstfähige, den Holocaust, zu einer Ausdrucksform; das Gedicht hat in seiner einsamen Respräsentanz des nicht Repräsentierbaren in Deutschland fast auch so etwas wie eine Alibirolle (bis hin zur Lesebuchlektüre) eingenommen. Die Zeit hörte dies: Von dem Regisseur und gelernten Neurologen Peter Mussbach hat er sich das Libretto schreiben lassen – 36 fiktive Schlaglichter aus dem Leben eines rastlos Getriebenen, die gesplittert, ohne konsistenten Erzählstrang zusammengepuzzelt sind: paranoide Begegungen in der Pariser Metro, Erinnerungsfetzen aus der rumänischen Jugendzeit, verrätselte Todesrauschfantasien, auch bizarre Szenen des Fremdenhasses, die die Celan-Ängste in unserer Gegenwart verorten. Ein undurchdringliches Spiegelkabinett aus mal mehr, mal weniger treffend erfundenen Celan-Reflexionen, dem Ruzicka eine Musik zur Seite gestellt hat, die sich ganz und gar nicht „am Rande des Verstummens“ bewegt. / Die Zeit 29.3.01 Und natürlich war auch die NZZ da. Und die FAZ (sogar mal im Netz ) / Berliner Zeitung 27.3. /Tagesspiegel 28.3. / tagesanzeiger 28.3. / Hannoversche Allgemeine 27.3. / taz 29.3. /
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