Wer grade Zeit (oder Geld) für Kalifornien frei hat, für den ist das vielleicht ein interessantes Angebot:
The 2002 Teaching Poetry Institute
Wednesday, July 24 through Saturday, July 27
Keynote Speaker: Michael York
actor, author The Shakespearean Author Prepares
Immerhin ist es mit diesem Band möglich, Inge Müllers Werk präziser zu sichten und vor Überschätzungen zu warnen. Gewiss, die «lyrische Autobiographie» ( Wulf Kirsten ), die sie sich in den Nachkriegsjahren abrang, beeindruckt noch heute. In oft frappierender «Kunstlosigkeit», wie es die Literarhistorikerin Ursula Heukenkamp nannte, umschreibt sie die traumatischen Erlebnisse der Kriegstage: Sie wird verschüttet, überlebt die dreitägige Isolation und birgt wenig später die Eltern tot aus den Ruinen ihres Berliner Wohnhauses. «Ich sah den Tod und die Gewalt / Noch eh ich jung war, war ich alt», heisst es dazu in ihren komprimierten Versen, und in «Unterm Schutt II» ist es schon die Anfangszeile, die die Perspektive des Schreckens wirkungsvoll benennt: «Und dann fiel auf einmal der Himmel um». / Rainer Moritz, NZZ 13.6.02
Inge Müller: Dass ich nicht ersticke am Leisesein. Gesammelte Texte. Herausgegeben von Sonja Hilzinger. Aufbau-Verlag, Berlin 2002. 660 S., Fr. 43.-.
Ines Geipel: Dann fiel auf einmal der Himmel um. Inge Müller – Die Biographie. Henschel-Verlag, Berlin 2002. 256 S., Fr. 35.90
gibt die NZZ, darunter über Fabio Pusterla :
Seine Gedichte haben nichts zu tun mit der fein ziselierten realistischen Lyrik seiner lombardischen Vorgänger von Sereni bis Orelli. Sie stehen ganz für sich als dramatische Befragung einer Welt, in der Dunkel, Verzweiflung und Tod herrschen. Sein erster Gedichtband beginnt mit einem Prolog, der wie ein Paukenschlag das zentrale Motiv seiner Dichtung ankündet: «Erosion wird / die Alpen austilgen, sie gräbt zuerst Täler, / dann steile Schluchten, unheilbare Leeren, / Einsturz-Vorspiele, Strudel, Knirschlaute geben / das Zeichen zur Flucht. So ist es verfügt.» / NZZ 13.6.02
Fabio Pusterla: Solange Zeit bleibt / Dum vacat. Gedichte. Ausgewählt und aus dem Italienischen übersetzt und mit einem Vorwort versehen von Hanno Helbling. Nachwort von Massimo Raffaeli. Limmat-Verlag, Zürich 2002. 156 S., Fr. 36.-.
Leonardo Zanier : Den Wasserspiegel schneiden / Sot il pêl da l’âga. Gedichte Friaulisch/Deutsch, mit italienischer Übersetzung des Autors. Vorwort von Ottavio Besomi, Nachwort von Mevina Puorger. Aus dem Friaulischen von Laura Pradissito, Uwe Hermann, Flurin Spescha, Mevina Puorger. Redaktion: Mevina Puorger, Franz Cavigelli. Limmat-Verlag, Zürich 2002. 265 S., Fr. 42.-.
In Lucca traf sich am vergangenen Wochenende die Rudolf-Borchardt -Gesellschaft, um mit Würde und Andacht den hundertfünfundzwanzigsten Geburtstag ihres Dichters und Philologen zu begehen. Der Aufstieg dieses Schriftstellers aus fast völliger Vergessenheit zu einem Dichter mit Gemeinde gehört zu den wunderlichsten Ereignissen der Geistesgeschichte in den vergangenen Jahren. Gewiss, auch die Anhänger anderer Dichter verstricken sich tief in die Biographie, veranstalten Wallfahrten, besuchen Schauplätze und Wohnstätten. Aber mit diesem Dichter hier ist es etwas Besonders. Nicht nur wegen der zwölf Schlösser und Herrenhäuser in der Umgebung von Lucca, in denen er, unterbrochen nur durch den Ersten Weltkrieg, mit seiner Familie von 1906 bis 1944 lebte, ohne doch je Geld gehabt zu haben. Sondern auch, weil der Mann so unsympathisch gewesen muss: ein Besserwisser und Despot, ein hochfahrender Mensch, einer, der sich ständig überschätzte, während er andere nur selten ernst nahm. / Süddeutsche Zeitung 13.6.02 / Siehe auch FAZ 13.6.02
Aftab Husain ist in die Mühlen des Konflikts zwischen Indien und Pakistan geraten. Husain, geboren 1962, hält sich als Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung in Deutschland auf.
„O! Träumer, wie ich werdet auch ihr zerschmettert werden, werdet auch ihr besiegt darniederliegen / Denn Träume haben ihren Preis.“ So endet ein Gedicht, das Sie vor einem Jahr geschrieben haben. Was war der Traum, der Sie so teuer zu stehen kam?
Wie jeder vernünftige Mensch habe ich von einer friedlichen Atmosphäre in meinem Land und um mein Land herum geträumt; und dafür habe ich gekämpft, mit meinen Gedichten, meinen Prosatexten und auch meinen Übersetzungen.
Dass Sie auch Gedichte des indischen Premiers Vajpayee übersetzt und in Pakistan veröffentlicht haben, hat Aufsehen erregt.
Vajpayees Gedichte stehen für Frieden und Brüderlichkeit zwischen zwei Ländern, die eine kulturelle Einheit darstellen. Vom Gesichtspunkt der Kultur, der Zivilisation, der Sprache ist es fast dasselbe Land. Vajpayees Buch, das ich herausgebracht habe, hieß: „Wir werden keinen Krieg zulassen“. / Berliner Zeitung 12.6.02
Der syrische Dichter Adonis und der iranische Theologe Mohammad Schabestari im Gespräch in der Süddeutschen am 11.6.02
In der Einleitung schreibt die SZ:
Der Dialog zwischen dem arabischen Poeten und dem iranischen Theologen wird ohne Schonung gegenüber den eigenen Traditionen geführt. In ihm kann man die Vorzeichen einer weitreichenden Reformation der muslimischen Welt sehen. Das Gespräch zwischen Adonis und Mohammad Schabestari fand auf Einladung von Navid Kermani im Wissenschaftskolleg Berlin statt.
Schabestari: … In der islamischen Welt ist heute nichts von einer modernen linguistischen oder philosophischen Interpretation der religiösen Texte zu beobachten. Entsprechend erstarrt und verarmt ist unser geistiges Leben; und es beruht daher auf Wiederholung und Restauration. Es wäre also die Aufgabe eines muslimischen Denkers, wenn er das islamische Geistesleben tatsächlich voranbringen möchte, die gesamte traditionelle Exegese hinter sich zu lassen, die religiösen Texte ganz neu zu betrachten und sich dabei von einem modernen hermeneutischen Verständnis linguistischer und allgemein philosophischer Art leiten zu lassen.
Adonis: Das würde erfordern, dass die Muslime die Exklusivität ihrer Perspektive und ihres Denkens aufgeben und Pluralität in jeder Form und auf jeder Ebene zulassen.
Schabestari: Ja, ganz sicher, und Pluralität in der Exegese heißt auch die Akzeptanz verschiedener Lesarten. Letztlich bedeutet dies die Akzeptanz unterschiedlicher Meinungen und Auffassungen innerhalb des einen Islams, also die Bereitschaft, unterschiedliche Lektüren und Deutungen ein und desselben Textes weder generell zurückzuweisen, noch andere Lektüren und Deutungen zu diskriminieren, zu marginalisieren oder zu verketzern.
With its sonorous language and jumped-up rhythms, the poetry of Hart Crane (1899-1932) is like Bruckner scored for jazz quartet. Its content is similarly syncretic: high-low, old style-new style. You need to bring a lot to his work — alertness, empathy, patience — to get something out of it. But what you get is the grandest American Romantic voice since Walt Whitman . / Holland Cotter, NYT *) 11.6.02
Leseprobe:
How many dawns, chill from his rippling rest
The seagull’s wings shall dip and pivot him,
Shedding white rings of tumult, building high
Over the chained bay waters Liberty —
Then, with inviolate curve, forsake our eyes
As apparitional as sails that cross
Some page of figures to be filed away;
— Till elevators drop us from our day
[Der amerikanische George -Biograf Robert] Norton hat getan, was vor ihm noch keiner getan hat: Er hat fast alles gesichtet, was das George-Archiv in Stuttgart hütet. Er hat alle Briefe von Georges Hand gelesen, und vermutlich auch alle Briefe an George. Er hat jeden Zettel umgedreht, in jedem „Geistbuch“ des Kreises geblättert, sich durch die riesige Masse an Memorialliteratur gearbeitet, die George wie eine undurchdringliche Hecke umgibt. Er ist in die Tiefe eines Dichterlebens gedrungen, und gleichzeitig hat er sich in die Zeit Georges eingelesen, hat versucht, sich ein Verständnis der deutschen Geschichte am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu verschaffen. Und erst nach all diesen namenlosen Exerzitien hat sich der junge – mit vierzig ist man noch jung für ein solches Werk – Autor hingesetzt und die monumentale Biographie Stefan Georges und seiner Kreise geschrieben. / Ulrich Raulff, Süddeutsche 11.6.02
ROBERT E. NORTON: Secret Germany. Stefan George and His Circle. Cornell University Press, Ithaca & London 2002. 847 Seiten, 58, 86 Euro.
Ins Tessin gehen 5000 Franken an Dubravko Pusek für seinen Gedichtband «Effetto Raman».
Das Prädikat «Buch der Schweizerischen Schillerstiftung 2002» erhielten «Der Billardtisch» von Bruno Steiger, «Le cerf-volant» von Nadine Mabille, «In sto monde tonde tonde» von Ugo Canonica und der rätoromanisch-deutsche Gedichtband «Monolog per Anastasia – Monolog für Anastasia» von Leta Semadeni . / Landbote 11.6.02
… aber New York besitzt ein Poets House:
When Stanley Kunitz and Elizabeth Kray founded Poets House as a library for poetry, Mr. Kunitz insisted that there be no apostrophe in the name of the organization because „nobody owns poetry.“ As he said recently: „It belongs to civilization. Nobody possesses poetry; poetry possesses you.“ … „Schools visit in the morning, editors come to research anthologies, international poets plug in to what’s going on in New York,“ said Lee Briccetti, the executive director of Poets House, adding that the library was especially of value to browsers. / NYT *) 10.6.02
HANS-HERBERT RÄKEL bespricht in der Süddeutschen vom 10.6.02
DURS GRÜNBEIN: Erklärte Nacht. Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 148 Seiten, 18 Euro
Breton, Philippe Soupault and Louis Aragon were acclaimed by Paul Valéry as ‚the three musketeers‘. In fact, rather than contenting themselves with derring-do, the surrealists were agents of apocalypse. Their fiercest creative glory lay in acts of destruction. Breton and Soupault warned the world in 1920 to ‚get ready for some explosions‘; Durozoi has also unearthed an obscure surrealist periodical, published in London in 1942, with the proud title Arson. / Guardian 9.6.02
History of the Surrealist Movement
Gérard Durozoi
University of Chicago Press £60, pp816
Antonio Machado ist für die Nachwelt der glaubwürdigste unter diesen erneuerungswilligen «Rittern der Hispanität» geblieben. Bewundert und verehrt, weil er ohne penetrante Fanfarenstösse mit seiner Lyrik ein Spanien wieder als im wörtlichen Sinne natürliche Präsenz verfestigte, das veredelnder Attribute nicht bedurfte, um es selbst zu sein.
Das heisst, dass Machado den erlesenen Lockungen des modernismo nicht erlegen ist. Dass er, von wenigen Ausnahmen abgesehen, der aristokratischen Idealität und dem ekstatischen Rausch jener Lyrik nicht verfiel, mit der der aus Nicaragua stammende Rubén Darío seit 1898 das poetische Klima in Spanien vom Muff eines prätentiösen Akademismus reinigte. / NZZ 8.6.02
Antonio Machado: Campos de Castilla. Kastilische Landschaften. Spanisch und Deutsch. Herausgegeben und übertragen von Fritz Vogelgsang. Ammann-Verlag, Zürich 2001. 352 S., Fr. 61.-.
Textprobe auf der Homepage des Ammann-Verlages.
Angelika Overath bespricht in der NZZ vom 8.6.02:
Czeslaw Milosz : Mein ABC. Von Adam und Eva bis Zentrum und Peripherie. Aus dem Polnischen von Doreen Daume. Verlag Carl Hanser, München 2002. 180 S., Fr. 27.90.
Mit einem Satz von Zagajewski: «Das ekstatische Element hängt zusammen mit der bedingungslosen Akzeptanz der Welt und sogar all ihrer grausamen und absurden Bestandteile.» Davon lebt schliesslich das Gedicht – nämlich da, wo es solche Berührungen mit der Welt und ihren Zeichen weiterreicht. Rimbaud fand dafür das Wort von den Illuminationen. «Etwas» stösst uns zu, kommt nahe heran, überwältigt und überwölbt schliesslich die cartesische Spaltung in res cogitans und res extensa, den Abgrund zwischen Denken und Materie. / Martin Meyer, Laudatio zum Konrad-Adenaiuer-Preis für Adam Zagajewski , NZZ 8.6.02
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