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316 Wörter, 2 Minuten Lesezeit
Die Anthologie der Lyrikzeitung ist keine Straße der Besten und auch nicht das persönliche Poesiealbum des Herausgebers. „Ich lese verschiedene Arten von Gedichten“ (M.G. frei nach E.J.). Von Oliver Behnssen, der heute vor 100 Jahren geboren wurde, kenne ich ein einziges Gedicht. Man kann es mal lesen. (In Bayern wird sich einiges mehr finden.)
Name: Oliver Behnssen. *24.09.1925 in Breslau, †14.10.1992 in München.
(Literaturportal Bayern https://www.literaturportal-bayern.de/nachlaesse?task=lpbestate.default&id=211 )
Beruf: Lyriker.
Geboren wurde Oliver Behnssen am 24. September 1925 in Breslau. Er besuchte die Finanzschule in Herrsching am Ammersee. Im Zweiten Weltkrieg geriet er in russische Gefangenschaft. Zeit seines Lebens war er in verschiedensten Berufen tätig: vom Zeitungsverkäufer über Tellerwäscher bis zum Auslandsvertreter für Rosenthal-Porzellan. Oliver Behnssen schrieb lyrische Texte und Aphorismen. Seit den 70er Jahren war er aktiv im Münchner Werkkreis. Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller. Oliver Behnssen starb am 14. Oktober 1992 in München.
Eine seltsam diskrete Reihe
Ich saufe steil vor mich hin.
Ich weiß, es hat keinen Sinn, dich zu trösten.
Meine Geliebten: übersehbar und sicherlich
von mir unterschätzt: eine seltsam diskrete Reihe.
Mit den linden Lüften, die ja nicht nur
in diesem Jahr, sondern immer wieder auf's Neue
erwachen und säuseln und weben,
umschwärmt mich geschwätzig die Wiederholbarkeit
der spontanen Erniedrigungen, die mir noch bevorstehen.
Wahrscheinlich wird meine bisherige Einsamkeit
– im nun folgenden Schluß bediene ich mich
ausschließlich der Technik der intuitiven Evidenz –
dagegen ein Flohstich gewesen sein.
Aber wer kratzt sich schon an seiner Existenz.
Jeder vernünftig denkende Mensch
befriedigt doch dieses gelegentliche Bedürfnis
mit der viel privateren Sensation,
sich an seinem Bewußtsein zu kitzeln.
Und so döse ich denn auch ausgiebig steil vor mich hin:
meine Geliebten, eine diskrete Reihe.
Ich weiß, es hat keinen Sinn, dich zu trösten.
Aus: Panorama moderner Lyrik deutschsprechender Länder. Von der Jahrhundertwende bis zur jüngsten Gegenwart. Herausgegeben von Wolfgang Hädecke und Ulf Miehe. Sigbert Mohn Verlag, o.J. 1965), S. 428
(Viele große Verlage brachten damals Lyrik).
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