Paul Neubauer (1891-1945)

320 Wörter, 2 Minuten Lesezeit

Von Paul Neubauer, einem deutschsprachigen jüdischen Schriftsteller aus der Slowakei (1891-1945) kenne ich nur ein Gedicht in der Anthologie „Texte des Expressionismus. Der Beitrag jüdischer Autoren zur österreichischen Avantgarde“, Herausgeber Armin A. Wallas Linz, Wien: edition neue texte, 1988. Es gibt einen kurzen Artikel im Killy-Literaturlexikon, ansonsten überall Fehlanzeige, auch in den Lexika zur deutschsprachigen jüdischen Literatur und bei Wikipedia. Hier dieses eine Gedicht mit einer kurzen Einführung, gestützt auf den Killyartikel.

Paul Neubauer (*28. September 1891 in Neustadt an der Waag / Nové Mesto nad Váhom, † 1945 in Fonyód) war ein deutschsprachiger Lyriker, Erzähler und Journalist slowakischer Herkunft. Nach seiner Promotion zum Dr. jur. arbeitete er als Redakteur und Kritiker beim Prager Tagblatt, wo er neben Max Brod und Walter Seidl zu den führenden Stimmen zählte, sowie für den Prágai Magyar Hirlap und den Pester Lloyd.

Sein expressionistisch geprägter Gedichtband Wohin (1922), Romain Rolland gewidmet, stellt den Versuch dar, „Bilder des Absoluten“ zu gestalten. Neubauer verstand Dichtung als Glaubensakt angesichts des modernen Transzendenzverlusts. In seiner Lyrik treten religiöse Visionen, die Figur des Ausgestoßenen und die Suche nach Liebe und Gott zentral hervor – etwa in den „Gottesballaden“, in denen sich Mystik und Alltag überlagern.

Neubauer wurde nach der Besetzung der Tschechoslowakei wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgt und 1945 in Ungarn ermordet.

Pause

Der winterweiße Raum dehnt unermessen
Und schweigend sich in ewiges Vergessen
Weltenmüde, todbereit...
Gleich Kindertränen gleiten sanfte Flocken,
Verhallend schwirrt ein Klang von Abendglocken -
Die Gegenwart ist zugeschneit.

In allen Ecken stehn Erinnerungen
Und neigen sich, von letztem Licht umsungen,
Und sehn mich an mit großen Blicken...
An den Wänden, hinter Glas im Rahmen,
Hängen tote Freunde, die ihr Amen
Treu zu mir herüberschicken.

Alles Müde ging schon längst nach Hause,
Erstarrtes Leben träumt wie eine Pause,
Der hocherhobne Taktstock steht. . .
Da flammt der Lampenschein, daß lichtgeblendet
Vergangenheit von mir hinweg sich wendet
Und ist ins Dunkel fortgeweht.

Aus: A.a.O. S. 197 (Quelle ist der Gedichtband Wohin? von 1922)

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