Amerika, wo die Knödel auf Bäumen wachsen

382 Wörter, 2 Minuten Lesezeit


Hört nur, Leute
Neues Lied von Amerika. In Olmütz, 1856. Gedruckt und zu bekommen bei Antonin Halouzka

1. Hört nur, Leute, dies komische Lied,
wie's den Herrn Amerikanern geht,
in eitel Freud die Schelme leben,
was sie begehrn, vom Himmel fällts ein jedem.

2. Viele, die zaudern, vor Ungeduld grolln,
daß sie so schlecht hier leben solln,
haben Mordslust heuer auf Amerika,
wo Knödel just auf Bäumen man wachsen sah.

3. Teiche voll Butter unter den Bäumen
zum Knödel Einweichen, wenn sie einem
im Hals steckenbleiben, Hunderte Schilder,
aus Lebkuchen, glaub ich, köstliche Bilder.

4. Schweine wachsen gebraten da drüben,
ins Maul gebratene Vögel fliegen,
Buchteln, Kolatschen backen sich von allein,
Kaffee rinnt aus Rinnen ins Maul hinein.

5. Kaum macht das Maul der Amerikaner auf,
gleich hat er gebratene Tauben zuhauf,
es solln sich die Herrn Amerikaner bedienen
nämlich zum Schlucken geschaffner Maschinen.

6. Alles machen sie mit der Maschine,
was Arbeit ist, kommt nicht in ihre Sinne,
so leben sie dort besser als im Paradies,
fast wie am Rand des Himmels haben sie's.

7. Aus lauter Bratwürsten Zäune sie bauen,
Quargeln, die schützen vor Elend und Grauen,

's ist lauter Spaß in am'rikanischen Landen,
auf Leberwürsten spieln die Musikanten.

8. Amerika, als Heimat wohlbekannt,
nur allzu fern ist das gepriesne Land,
lägs wenigstens in Prag, per Eisenbahn
es zu besichtgen kam nicht teuer dann.

9. So könnten wir dorthin zur Kirmes gehn,
ich glaub, das wäre gar zu schön,
es ist bloß ein Einfall, müßig und albern,
nur so zum Lachen und spaßeshalber.

10. Der Amerikaner darf kein Faulenzer sein,
dort wie hier lebt man von Arbeit allein,
wers auch sei, der Lust zur Arbeit nicht hat,
umsonst wird der selbst in Amerika nicht satt.

11. Amerika als ideale Heimat gilt,
nur ists vom Volk nicht grade überfüllt,
wie viele andre Länder heutzutag,
wer diese Wüste dort erobern mag.

12. So viel er will, kann er da kaufen Land,
wird spucken, sackweis, Sakrament, verdammt,
in Amerika, wenn er die Hacke schwingt
und ihm ein Schmerz durch Kreuz und Hände dringt.

Ende

Übersetzt von Walther Petri, aus: Ludvík Kundera, Eduard Schreiber (Hg.): Süß ist es zu leben. Tschechische Dichtung von den Anfängen bis 1920. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2006 (zuvor in: Die Sonnenuhr. Tschechische Lyrik aus 11 Jahrhunderten. Reclam Leipzig 1986 / 1993)

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