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Veröffentlicht am 8. Juli 2025 von lyrikzeitung
161 Wörter, 1 Gedenkminute für Franz Hodjak
Meine Kohorte verabschiedet sich. Franz Hodjak, den ich in den 1970er Jahren zuerst in der Zeitschrift Neue Literatur kennenlernte, starb am 6. Juli, 80 Jahre alt. Hier sein Gedicht auf den Tod von Franz Fühmann (am 8. Juli 1984), mit der Doppeldeutigkeit der letzten Zeile – die Auswanderung der Rumäniendeutschen in die Bundesrepublik hatte begonnen.
Franz Hodjak
(* 27. September 1944 in Hermannstadt, Königreich Rumänien; † 6. Juli 2025 in Deutschland)
gedenkminute
für Franz Fühmann
der begonnene tag: das bekannte buch.
regen hängt schwer in den bäumen.
durchs fenster steigt wie ein dieb der geruch
von jäh unterbrochenen träumen.
die radios rütteln am hirn, am gebein.
die zweite schicht grüßt die dritte.
die regel ist: entweder allein
oder drin in der goldenen mitte.
die glyzinien blühn, und frieden ist.
ich will, was ich höre, auch sehn.
ist jemand da, der Fühmann vermißt?
kein verzweifeln packt mich, kein bangen.
nur trinke ich mehr, um aufrecht zu gehn.
noch ein freund ist weggegangen.
Aus: Franz Hodjak, Siebenbürgische Sprechübung. Gedichte. Mit einem Nachwort von Werner Söllner. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1990, S. 65.
Kategorie: Deutsch, Deutschland, RumänienSchlagworte: Auswanderung Rumäniendeutscher, deutsche Lyrik, Exilliteratur, Franz Fühmann, Franz Hodjak, Freundschaft in der Literatur, Gedenkgedicht, gedenkminute, Lyrik 1980er, Lyrik und Politik, Lyrik zum Abschied, lyrische Doppeldeutigkeit, Neue Literatur (Zeitschrift), Rumäniendeutsche Literatur, rumäniendeutsche Lyrik, Siebenbürger Autoren, Suhrkamp Verlag, Tod und Erinnerung, Verlust und Haltung, Werner Söllner
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