Nun wuchs ihm Gewicht zu durch den Schmerz

Derek Walcott

(* 23. Januar 1930 in Castries, St. Lucia; † 17. März 2017 in Gros Islet, St. Lucia) 

10. In Italien
II

Er war scheinbar nicht von Belang gewesen, doch ihr Tod
schlug ihn mit Weisheit; nun wuchs ihm Gewicht
zu durch den Schmerz; seine Atemnot,
selbst die sparsamste Geste wirkte tief erschöpft.
Das war es wohl, was sie ihm hinterließ: die unbekannte,
zornige Verzagtheit über seine Ergebung hinaus,
eine Hingabe, tiefer noch als seine Arbeit verlangte,
an eine Schönheit, die so völlig außer Reichweite
schien für den dumpfen Schlag, der sie gespreizt
auf den Schlafzimmerteppich strecken sollte; er fühlte
sich wie verwitwet; sie planten Hochzeit.
Nun lag sie, wie zerzauster Marmor, weiß, klassischer Torso
einer Göttin, deren kurzer Besuch die Welt entzückte.

Aus: Derek Walcott: Weiße Reiher. Gedichte. Deutsch von Werner von Koppenfels. München: Carl Hanser, 2012, S. 51/53

10. In Italy
II


He had seemed negligible but her death
afflicted him with wisdom; now he acquired
authority from pain; you could hear his breath
and the littlest gesture he made was profoundly tired.
Maybe that was what she left him, a strange,
angry diffidence beyond his surrender
and a devotion deeper than his work desired,
for a beauty that had seemed so out of range
of the dull cannon thud that would send her
sprawling on the bedroom carpet; more so
than being merely a widower; they were to be married.
Now she lay white as tousled marble, the classical torso
of a goddess whose brief visit delighted earth.

Ebd. S. 50/52

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..