Betrachten wir denselben Mond?

Noch ein Gedicht aus der Caspar-David-Friedrich-Anthologie.

Adrian Kasnitz

(In Betrachtung des Mondes)

Als wir in Neuruppin am See saßen
schauten wir aufs selbe Wasser
das im Dunkeln lag, nur eine helle
Delle schien über dem Wald: die Nacht
von Berlin oder wer weiß welches Ding da
in der Einöde landete, schimmerte

Manchmal stehen wir nachts am Fenster
und sehen dem Baum zu, wie er sich
heimlich bewegt, ein paar Zentimeter nur
aber auch knorrige Alte bewegen sich

Du in Leipzig, ich auf einer fernen Insel
betrachten wir dasselbe, denselben Mond?

Aus: Der Horizont ist bloß eine rhetorische Figur. Zeitgenössische Lyrik zu Caspar David Friedrich. Hrsg. Anne Martin und Dirk Uwe Hansen. Leipzig: Reinecke & Voß, 2024, S. 148

13 x 19, 196 S., 16 Euro, ISBN 978-3-942901-52-9

(in Betrachtung der Kreidefelsen)

Caspar David Friedrich, Kleine Stubbenkammer, 11. August 1815. Grafitstift. Nationalmuseum Oslo. Notiz am oberen Rand: „Noch zweimal so hoch der Horizont“. – Interessantes Detail im Vergleich mit dem berühmten Gemälde: in der Skizze ist der Strand angedeutet, auf dem Gemälde fällt er weg: Unendlichkeit! (Gesehen in der zweiten Friedrichausstellung im Pommerschen Landesmuseum Greifswald.)

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