Nachts um elf

Ein Gedicht, vier Versionen

Manuel Altolaguirre 

(* 29. Juni 1905 in Málaga; † 26. Juli 1959 in Burgos)

Manuel Altolaguirre zählt zu den Lyrikern der Generación del 27, die ab 1927 die spanische Lyrik erneuerte.

Noche a las once

Éstas son las rodillas de la noche.
Aún no sabemos de sus ojos.
La frente, el alba, el pelo rubio,
vendrán más tarde.
Su cuerpo recorrido lentamente
por las vidas sin sueño,
en las naranjas de la tarde,
hunde los vagos pies, mientras las manos
amanecen tempranas en el aire.
En el pecho la luna.
Con el sol en la mente.
Altiva. Negra. Sola.
Mujer o noche. Alta.
Soledades juntas, 1931

Aus: Spanische Lyrik des 20. Jahrhunderts. Spanisch/Deutsch. Ausgewählt, kommentiert und herausgegeben von Gustav Siebenmann und José Manuel López. Stuttgart: Reclam, 1985, S. 200. Auch in dass., 5., überarb. u. erw. Aufl., 2003.

Karl Krolow 1962

NACHT, ELF UHR

Dies sind die Kniee der Nacht.
Noch wissen wir nichts von ihren Augen.
Die Stirn, die Frühe, die hellen Haare
folgen später.
Ihren Körper durchrinnt langsam
Leben ohne Traum,
in die Orangen des Abends
taucht sie die leichten Füße, während die Hände
erwachen, zeitig, in der Luft.
In der Brust: der Mond.
Die Sonne: im Geiste.
Erhaben. Schwarz. Einsam.
Frau oder Nacht. Hoch und stolz.

Aus: Spanische Gedichte des 20. Jahrhunderts. Ausgewählt und übertragen von Karl Krolow. Frankfurt/Main: Insel, 1962 (Sonderausgabe im Insel-Verlag), S. 49ff

Erna Brandenberger 1980

Nachts um elf

Das sind die Knie der Nacht.
Noch kennen wir ihre Augen nicht.
Die Stirn, der Morgen, das blonde Haar
kommen viel später.
Ihr Leib wird langsam durchlaufen
von den Leben ohne Schlaf,
in die Orangen des Abends
taucht sie die wandernden Füße, während die Hände
früh aufwachen an der Luft.
An der Brust der Mond.
Mit der Sonne am Kopf.
Erhaben. Schwarz. Allein.
Frau oder Nacht. Groß.

Aus: Poetas españoles. La generación del 27. Spanische Dichter. Die Generation von 1927. Einführung und Autorenporträts von José Luis Cano. Herausgegeben und übersetzt von Erna Brandenberger. München: dtv / Edition Langewiesche-Brandt, 1980, S. 121

Gustav Siebenmann 1985

Nacht, um elf Uhr

Dies sind die Knie der Nacht.
Von ihren Augen wissen wir noch nichts.
Die Stirn, das Taglicht, das blonde Haar,
sie kommen später.
Ihr Körper, träge durchströmt
von den Leben ohne Schlaf,
taucht in die Orangen des Abends
die schweifenden Fulse, wahrend die Hände
im Frühwind auferstehen.
An der Brust der Mond.
Mit der Sonne im Gedenken.
Hochmütig. Schwarz. Einzig.
Weib oder Nacht. Erhaben.

Aus: Spanische Lyrik des 20. Jahrhunderts. Spanisch/Deutsch. Ausgewählt, kommentiert und herausgegeben von Gustav Siebenmann und José Manuel López. Stuttgart: Reclam, 1985, S. 201. Auch in dass., 5., überarb. u. erw. Aufl., 2003.

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