Alfred Jarry 150 / Mann mit Axt

Alfred Jarry 

(* 8. September 1873, heute vor 150 Jahren, in Laval, Département Mayenne, Frankreich; † 1. November 1907 in Paris) 

1946 erschien in der Schweiz eine „Anthologie der Abseitigen“ mit Gedichten deutscher und französischer Dichter und Künstler. Unter den „Abseitigen“ – die Welt war mit Krieg beschäftigt – waren Wassily Kandinsky, August Stramm, Paul Klee, Pablo Picasso, Tristan Tzara, Kurt Schwitters, Alfred Jarry und viele andere. Die Texte erschienen nur in der Originalsprache, Deutsch oder Französisch, ohne Übersetzungen, in der Schweiz ging das offenbar. 1965 erschien ein Nachdruck, wiederholt in der Sammlung Luchterhand 1990. Erst in dieser Taschenbuchausgabe wurde wenigstens ein Teil der französischen Texte in deutscher Fassung in einen Anhang aufgenommen, soweit sie nämlich bis dahin irgendwo auf Deutsch erschienen waren. Darunter auch die deutsche Fassung des heutigen Gedichts von Alfred Jarry.

Das Gedicht von Alfred Jarry bezieht sich auf ein Gemälde von Paul Gauguin mit dem gleichen Titel (s.u.).
L'Homme à la hache
D'après et pour P. Gauguin

A l'horizon, par les brouillards, 
Les tintamarres des hasards,
Vagues, nous armons nos démons 
Dans l'entre-deux sournois des monts.

Au rivage que nous fermons
Dome un géant sur les limons.
Nous rampons à ses pieds, lézards.
Lui, sur son char tel un César

Ou sur un piédestal de marbre,
Taille une barque en un tronc d'arbre 
Pour debout dessus nous poursuivre

Jusqu'à la fin verte des lieues.
Du rivage ses bras de cuivre
Lèvent au ciel la hache bleue.

(1894)
Der Mann mit der Axt
Nach und für Paul Gauguin

Weitherum der Lärm der Glücke 
durch die Nebelschwaden kreist.
Wir bewaffnen unsren Geist 
in dem Zwischenreich der Tücke,

denn am Ufer, das wir sperren, 
hat ein Riese sein Regime.
Echsen, kriechen wir vor ihm.
Auf dem Wagen eines Herren,

einem Marmorpostament, 
schnitzt er sich ein Rindenschiff 
und verfolgt uns vehement

bis ans grüne Zeitenende.
Fest die blaue Axt im Griff 
haben seine Kupferhände.

Deutsch von Ludwig Harig, aus: Anthologie der Abseitigen. Hrsg. Carola Giedion-Welcker. Frankfurt/Main: Luchterhand, 1990, S. 279

Beide Fassungen auch in der vierbändigen Anthologie „Französische Dichtung“, herausgegeben von Friedhelm Kemp und Hans T. Siepe. Band 3. München: Beck, 1990 / 2001. Dort im Anhang auch eine Prosaübersetzung von H. Hinterhäuser:

Am Horizont, durch Nebelschwaden, / das metallische Lärmen der Zufälle, / Unbestimmt, bewaffnen wir unsere Dämonen / In dem tückischen Zwischenraum der Berge. / Am Ufer, das wir schließen, / Ragt ein Riese über den Schlamm. / Wir, Eidechsen, kriechen zu seinen Füßen. / Er, auf seinem Wagen wie ein Cäsar, / Oder auf einem Marmorpostament, / schneidet einen Kahn aus einem Baumstamm, / Uns aufrecht drinnen zu verfolgen /Bis ans grüne Ende aller Wege. / Vom Ufer recken seine Kupferarme / Himmelwärts die blaue Axt.

Paul Gauguin, L’Homme à la hache, 1891. Privatbesitz. Public Domain. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Paul_Gauguin_029.jpg

Nachbemerkung: Anfang der 90er Jahre war ich in Essen. In einer Buchhandlung gab es hunderte Taschenbücher der Sammlung Luchterhand, die für etwa 3 Mark verramscht wurden. Der Hintergrund war, der Verlag war ins Schlingern geraten, stellte sein literarisches Programm für Jahre komplett ein und verramschte die Bestände. Für mich ein Glücksfall. Bücher aus dem Westen wurden in der DDR nicht verkauft. Es waren Schätze, fast alles von Ernst Jandl war darunter und auch die „Anthologie der Abseitigen“. Ich kaufte Dutzende für mich und noch einmal Dutzende für die Germanistische Bibliothek der Universität Greifswald. Ich war weder bevollmächtigt noch beauftragt noch überhaupt mit der Bibliothek verbunden, außer als Nutzer. Aber es waren ein bisschen Wildwestjahre, die alte Macht weg, die neue noch nicht richtig im Sattel, es ging einfach, sie haben sie genommen und mir das Geld überwiesen. Man muss bedenken, dass alle diese Bücher vor 1990 in der DDR nicht zugänglich waren. Ich hatte viel nachzuholen und die Uni auch. Studenten organisierten ein Auto, das alles nach Greifswald brachte. So kam dieses Buch zu mir.

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