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Veröffentlicht am 11. Juni 2023 von lyrikzeitung
Rainer René Mueller
(* 1. Januar 1949 in Würzburg)
Lieddeutsch
Gesang auf der Kelle
inmitten des Herbstpsalms
des einhundertdritten und Walthers
Kreuzlied
Würzburgtrümmer, beflogen
Schneewittchenvogel, der Eisschaber
das Märchen Ewigkeit
Mutter wieviel Schritte
darf ich
spielt das bleiche Kind herum
gehn und spielen, das Knöchellied
das Spiel aus Draht
und Tagbleiche, dem Bildverschnitt
wir legen uns Selbstmördernamen zu
wir decken sie zu
und tanzen
alle kommen sie her und saufen das aus
sie dreschen die Trommel, das Maul
: sie lassen marschieren
Aus: Rainer René Mueller, POÈMES – POËTRA. Ausgewählte Gedichte 1981-2013. Ausgewählt von Rainer René Mueller, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Dieter M. Gräf. roughbook 34. Harbouey, Heidelberg, Berlin, Ludwigshafen am Rhein, Beijing, Solothurn und Schupfart, November 2015, S. 12.
Nur wenige Dichter haben der deutschen Sprache so viel zugemutet wie Rainer René Mueller, es ist offensichtlich, dass er dies nicht aus reiner Experimentierlust tat, sondern der Not gehorchend. Wer nach Auschwitz Gedichte schreibt, sollte nicht nur zeigen, dass er das weiß und spürt, es muss doch auch die Wohlklangplatte vom Teller, jedenfalls muss etwas damit geschehen, sofern man der Meinung ist, Dichtung solle ein Instrument der Wahrheitsfindung sein und nicht eines des Vertuschens.
Dieter M. Gräf, ebd. S. 104
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Dieter M. Gräf, Rainer René Mueller
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