Vielleicht als Irrsinns-Gedichte

Am Ende war der Dichter, der Rheinländer in Ost-Berlin, nicht geblendet vom eigenen Werk, er war darüber hinaus. Keine zwei Jahre vor seinem Tod sagte Adolf Endler (1930-2009) in einem Interview: „Ich muss nicht unbedingt noch Gedichte schreiben. Es liegen noch genug in meinem Schrank, die vielleicht nach meinem Tod als Irrsinns-Gedichte publiziert werden.“

Dieser Schrank wird jetzt einen Spalt geöffnet. Endlers immer wieder neu aufflammendes Gelächter, das als Ohrwurm nachklingt, ertönt wieder. Der titelprägende Aufmarsch heißt „Wachkompanie“: „Kiwitt kiwitt / Paradeschritt / Wie spritzt der Split / Kiwitt kiwitt / Parade ei / Paradeschritt / Kuckuck / Kuckuck / Rufts aus dem Wald // kiwittkiwitt / paradeschritt / kuckuckkuckuck / rufts ausm wald / ruckediguh / blut ist im schuh“. Das klingt wie Jazz.

Brigitte Schreier-Endler hat aus dem Nachlass Gedichte und „Capriccios“ zusammengestellt, die ihr Mann in einem Konvolut, betitelt „Aus der Mappe ,Quatsch‘“, abgelegt hatte. Vollendetes, Halbfertiges, Fragmente.

(…) Er verströmte Blitzeinfälle und hatte wahnsinnigen Spaß an seinen Erfindungen und Bezüglichkeiten, an seinen Moment-Gewittern widersprüchlicher Anmutungen und Empfindungen. Klingelstreiche und Knallfrösche darunter. Ein „Mord in Crimmitschau“, Wolf Biermann gewidmet, voller Halbtöne: „Im Schülerinnentornister / der kleidsam zerstückelte Ohm. / Ei, was für ’ne Existenz z’guterletzt! / – Dafür sind wir im Herbst 89 / auf die Straße gegangen, Marie?“ (…) Gespottet wird auch jeder Zuordnung. „Meine Generation bestand im Januar 63 aus circa sieben bis dreizehn relativ ungewöhnlichen Gestalten / tollen Personen. (Ich erinnere an die ,Sächsische Dichterschule‘ and so on. / und all diesen Summs / Quatsch.) Im Herbst 99 stehe ich absolut einzig da / also allein / Falten Plums, Bumms.“

(…) Schonungslose, auflodernde Verse, sie suchen, versteckt oder offen, immer einen letzten Sinn: „Einmal noch im Leben einen ungebrochenen Punkt setzen zu dürfen…“  / Jürgen Verdofsky, Frankfurter Rundschau

Adolf Endler: Kiwitt, kiwitt. Gedichte und Capriccios. Wallstein Verlag, Göttingen 2015. 72 Seiten, 18,90 Euro.

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