Nikolai Bucharin

Bereits 1936 äusserte er gegenüber André Malraux den Verdacht, Stalin wolle ihn vernichten. Wenig später verfasste Bucharin ein speichelleckerisches «Poem über Stalin», weil er keine Zeitungsartikel mehr schreiben durfte. Im März 1937 wurde er verhaftet.

Im Gefängnis brachte er eine phantastische Selbstanklage, eine Kritik seiner eigenen «antileninistischen theoretischen Anschauungen», zu Papier. Ausserdem entstand eine theoretische Schrift über den «Sozialismus und seine Kultur». Der Druck, der auf Bucharin während seiner Haftzeit lastete, war enorm. Zwischen Juli und September 1937 wurde er jede Nacht verhört. Trotzdem schaffte er es, seine – selbstverständlich atheistischen – Gedanken zum Anfang und Ende des Ichs in verschiedener Form aufzuzeichnen: in 187 Gedichten, in seinen «Philosophischen Arabesken» sowie im autobiografischen Romanfragment «Zeiten». In höchster Verzweiflung schlug Bucharin Stalin in einem bizarren Brief vom Dezember 1937 vor, ihn nach Amerika auszuweisen, um dort Trotzki bekämpfen zu dürfen. Zuletzt bat er seinen Peiniger um fünfundzwanzig Jahre Lagerhaft im eisigen Norden, wo er eine Universität, mehrere Museen und eine Zeitschrift gründen wolle . . .

Tragisch endete Bucharin in der Tat. Im dritten der Moskauer Schauprozesse (gegen den «Block der Rechten und Trotzkisten») wurde er zum Tode verurteilt und am 15. März 1938 auf einer der Moskauer Hinrichtungsstätten erschossen – Stalin erfüllte ihm nicht einmal die letzte Bitte, er möge ihn durch eine Giftpille Selbstmord begehen lassen. / Ulrich M. Schmid, NZZ

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