Die Größe dieser Gedichte

Was Welt ist, findet bei Schultens ihren Ausdruck, und zwar dort, wo sie uns am entfremdetsten zu sein scheint.

Der, ich sag mal, „lyrische Skandal“, ohne den die Größe dieser Gedichte nicht wäre, besteht nun aber darin, daß jedes Gebilde für sich von enormer Schönheit ist. Zu der gehört, bis auf wenige Ausnahmen, ihre stilistische Vollkommenheit. In dieser Weise, für Kunstwerke der Gegenwart, ist mir das bisher allein bei Ligeti begegnet: Es wird, quasi, von Anfang an nicht mehr experimentiert. Das sind keine Versuche; selbst von hohem „Talent“ – nur! – zu sprechen, wäre eine Blasphemie. Und dabei haben wir es nicht etwa mit einer „hauptberuflichen“ Dichterin zu tun, sondern einer Frau, die ziemlich hart und entschieden nicht nur im „Alltags“beruf, dem einer Managerin, „ihren Mann“ „steht“ (:! ah! diese verräterischen Idiome!), sondern überdies alleinerziehende Mutter eines kleinen Kindes ist. Doch, das gehört hierher. Denn es sagt etwas über lebenswirkliche Widersprüche, die solche Lyrik wahrscheinlich erst möglich machen, ihre conditio sind: über persönlich harte, heftige Bedingungen:

wer hat mein zittern mit nur einem schnitt
der quantenscharfen kante von mir abgetrennt
und war nicht seele darin die jetzt schwebt

/ Alban Nikolai Herbst, Die Dschungel Anderswelt (aus Volltext 4/2015)

Katharina Schultens
gorgos portfolio 
64 Seiten
>>>> kookbooks 2014

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