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Seit 2005 wird der mit 25.000 Euro dotierte Deutsche Buchpreis vergeben und hat sich inzwischen – neben dem Büchner-Preis – zur zweitwichtigsten Literaturauszeichnung hierzulande gemausert. Und das, obwohl der „Buchpreis“ streng genommen eigentlich „Romanpreis“ heißen müsste. Prämiert er doch ausschließlich und nur Romane. Oder, wie der Schriftsteller Peter Henning erklärt:
„Ich glaube, da hat der Börsenverein sich einen Bärendienst erwiesen, indem man diesen „Roman“ installiert hat. Dadurch, dass sozusagen ausgerufen wurde: ‚Nur der Roman zählt!‘ Und: ‚Wir prämieren den großen deutschen Roman‘, ist tatsächlich so etwas wie eine Romangläubigkeit und -hörigkeit entstanden. Ich fröne dem, weil ich auch Romane schreibe. Aber wenn man eben aus der Lyrik-Ecke kommt oder die Kurzgeschichte bevorzugt, dann hat man schlechte Karten.“
Tatsächlich beurteilt eine Lyrik-Verlegerin wie Daniela Seel, die in ihrem Berliner Kookbooks-Verlag Gedichte und Kurzprosa veröffentlicht, den auf den Roman fixierten Deutschen Buchpreis skeptisch. Denn der, so Seel, befördere die sowieso schon vorherrschende Romanhysterie in Deutschland zusätzlich:
„Also das mit dem Deutschen Buchpreis, das ärgert mich schon enorm. Weil dadurch ja auch ein Ausschluss betrieben wird. Und es ja auch vom Marketing ganz klar so bezeichnet wird, es sei das „beste Buch des Jahres“. Oder: „Die beste deutsche Literatur“. Und da eben ganz viele Formate einfach ausgeschlossen sind. Und dadurch eine totale Verengung stattfindet. Und ja auch durch die Marketingmechanismen des Buchpreises es sich ganz stark in den letzten Jahren so entwickelt hat, dass die Bücher, die auf der Longlist – und noch mehr, die auf der Shortlist stehen, die pflichtmäßig zu rezensierenden Werke sind, und die anderen eben unter den Tisch fallen. Und dadurch eine völlige Einengung dessen, was in den großen Feuilletons besprochen wird, stattfindet.
„Das ganze Leben ist ein Roman / Was auch geschieht, es fängt immer an / wie in jedem andern Roman / mit Liebe / ja, Liebe“
Tja, was würde der deutsche Konsument wohl sagen, wenn im Sport plötzlich nur noch Fußball als vollwertige Körperertüchtigung gelten würde? Oder man beim Autofahren nur noch als Mercedes-Fahrer akzeptiert wäre? Eine absurde Vorstellung? Vielleicht. Doch in der krisengebeutelten deutschen Literaturbranche ist die Monopolstellung einer einzigen Gattung längst Realität. Denn hier zählt schon seit Jahren eigentlich nichts anderes mehr – außer:
Dem Roman.
(…) Tatsache ist, je ausschließlicher die Branche gerade auf den Unterhaltungsroman als angeblich einzig verkäufliche Lektüre setzt, desto stärker reduziert sie die Literatur auf ein Konsumprodukt ohne ästhetischen oder philosophischen Mehrwert. Und je öfter heutige Romane nach demselben Rezept wie Kino- und Fernsehplots funktionieren, desto nachhaltiger verliert das Romanschreiben seine Aura einer exklusiven Kunst. Und schrumpft zum Jedermann-Hobby, dessen Creative-Writing-Regeln sich letztlich jeder aneignen kann. Die Folge: Eine Überproduktion an immer gleichen Konfektionsromanen. Übrigens auffällig oft geschrieben von Medienstars und -sternchen, die gern nebenbei als Schriftsteller reüssieren … / Gisa Funck, DLF
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