Nur Poesie

Bin Laden in seiner ikonenhaften Inszenierung der Autarkie gegenüber Technik und Großmacht, als Weiser in den Bergen, erschien mir zugleich vorbildhaft und trügerisch: ein falscher Prophet, vor dem ich die Poesie in Schutz nehmen wollte. Denn nur Poesie, kein religiöser Wahn, kann der Schnelligkeit und oft beliebigen Bilderflut unserer Zivilisation entgegenwirken. Die Antwort auf das Bildergebot, das unsere westliche Zivilisation in fast allen Bereichen zeichnet, wäre nicht der talibaneske Ikonoklasmus, sondern die philosophische und ästhetische Konzentration.

Ähnliches aber gilt auch für die Kunst. Sollte nicht sie gerade sich nicht dem Heischen des Marktes nach Attraktion, nach immer neuen Bildern und Sensationen, vor allem aber der Angst vor der Leere, dem weißen Blatt der der schwarzen Stille widersetzen? Uns stattdessen einerseits Zwischenräume, die ein Denken in Gang setzen, und andererseits eine Achtsamkeit ermöglichen, die uns das, was eigentlich nahe ist und was wir nicht abstreifen können – ein Leben in der unmittelbaren Umgebung – überhaupt erst wieder näher bringen? / Hendrik Jackson, aus dem Essay „Verlust des Hierseins“, Qjubes

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