7. Poesie auf der Speisekarte

Auf das, was in der Speisekarte auf einen wartet, bereitet einen nichts vor. Sie hat einen braunen Plastiküberzug, wie er vielerorts üblich ist. Schlägt man sie auf, findet man jedoch noch vor den Kalten Speisen ein Gedicht des berühmten chinesischen Dichters Li Bai aus dem 8. Jahrhundert, der Tang-Zeit, wie einen Wikipedia tags darauf belehrt.

„Einsamer Trunk unter dem Mond“ ist das Gedicht überschrieben, und es handelt von einem Mann, der ganz allein bei einem Krug Wein sitzt. Kein Freund, der ihm Gesellschaft leistet. So kommt er auf den Gedanken, sich den Mond dazuzuladen. Und Dritter im Bund wird schließlich sein eigener Schatten. „Der Mond weiß nichts vom Wein und seinen Freuden/Blind folgt der Schatten mir in Freud und Leid“ , schreibt Li Bai. Doch er stört sich nicht an der Seelenlosigkeit seiner Saufkumpane. Er trinkt und tanzt gerne mit den beiden. Mit folgenden herzzerreißenden Zeilen endet Li Bais Gedicht: „Ich liebe euch, ihr Freunde ohne Herzen/So lebt denn wohl! Bald treffen wir uns wieder auf irgendeinem Stern am Firmament.“ / Susanne Lenz, Berliner Zeitung

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..