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Veröffentlicht am 5. November 2014 von lyrikzeitung
Kein Gedicht Else Lasker-Schülers hat mich auf Anhieb so bewegt wie dieses. (…) Die erste Lektüre verdanke ich einem Freund. Bei einer Tagung über Trauer analysierte der Psychoanalytiker Andreas Hamburger, was ihm das Gedicht seit vielen Jahren bedeutet. Angeregt davon, habe ich seither in Gesprächen mit anderen und mit mir selbst wiederholt die Frage gestellt, wie drei einfache Sätzen eine derartige emotionale Wucht entwickeln können.
Georg Trakl
Georg Trakl erlag im Krieg von eigener Hand gefällt.
So einsam war es in der Welt. Ich hatt ihn lieb.
Kaum ein Gedicht Else Lasker-Schülers ist kürzer als dieses. Vielleicht ist es auch deshalb eines ihrer besten. Die sonst meist wort-, phantasie- und bildreiche Dichterin hat sich hier dem Konzentrationszwang einer alten literarischen Gattung gebeugt, des Epitaphs. Eine Grabschrift hat naturgemäß nur begrenzten Platz zur Verfügung. So sind hier auf nur zwei Zeilen die unerschöpflichen Stoffe verdichtet, von denen gute wie schlechte Literatur seit jeher lebt: Tod, Einsamkeit, Trauer, Liebe. Die aneinandergereihten Sätze werden immer lapidarer. Über die vier kindlich kleinen Worte der abschließenden Liebesbezeugung hinaus spricht sich die Trauer nur noch schweigend aus. / Thomas Anz, literaturkritik.de
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Andreas Hamburger, Else Lasker-Schüler, Georg Trakl, Thomas Anz
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