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Veröffentlicht am 22. September 2014 von lyrikzeitung
In einer Ära abklingenden Verheerungen klingt der hohe Ton wie Blech – keine Gedichte nach Auschwitz, es sei denn solche, die im Erschrecken ihrer Urheber wie Sohlen am Tal der Tränen kleben. „Mondlicht“ schminkt „schmale“ Städter, während eine Flut sich Bauernhäuser greift. Nichts ist urban in diesem Kosmos, Deutschland erscheint als Dorf in den Gedichten des erwachenden Müller. In „Bruchstedt“, der Name spricht, ruft der Dichter: „Mann auf dem Traktor /…/ Ein Dorf braucht deine Hilfe“. Die Bauern liegen am Boden, der Boden gibt nichts her. Nach Müller beschreibt das einen verlangsamten Geschichtsprozess, in dem der Abstand des Autors zur Geschichte gering und die Geschichte gegenständlich erscheint. Das erlebt Müller als Chance. Er weist ex negativo darauf hin, wenn er am Ende des Jahrtausends sagt: „Hamletmaschine meldet doch nur noch die Unmöglichkeit: ein Stück zu schreiben.“ Im Jetzt von Neunundvierzig ist die Geschichte zum Greifen nah und Müller greift zu, weit weg von der Hypertrophie des Bühnenbildes, der Entpolitisierung des Theaters und des Dekorationswahn als einem Dekadenzphänomen. / Jamal Tuschik, Freitag Community
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Heiner Müller, Jamal Tuschik
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