70. Betriebsfeier

Der Literaturbetrieb feiert

schreibt der Kritiker Richard Kämmerlings und wird vor lauter Feierlichkeit  schier zum Betriebs- und Hofpoeten:

Lyrische Soiree, Literaturbetriebsversammlung, kulturpolitischer Festakt mit kammermusikalischem Rahmen und überraschend lässige Zeremonie – ein sehr spezieller Abend sowohl für die Gastgeber und den Geehrten als auch für die anderen Gäste, unter ihnen Verlegerkolleginnen wie Ulla Unseld-Berkéwicz, Schriftsteller, Kritiker, aber auch politische Prominenz wie Altbundespräsident Richard von Weizsäcker oder die früheren Minister Otto Schily und Joschka Fischer.

Joachim Gauck, präsidial-jovial wie ein geübter Conférencier, war anzumerken, wie sehr er selbst die temporäre Umwidmung seiner edlen Repräsentationssäle zum Lyrikkabinett und später dann zur Stehpartyzone genoss. Eine klare Win-win-Konstellation: Literatur – und erst recht Dichtung – wird selten eine solch hohe Würdigung zuteil, umgekehrt aber beherbergt auch das Schloss Bellevue nicht jeden Tag so viel intellektuellen Glanz. (…)

Lyrikerkollegen wie Marion Poschmann, Jan Wagner oder Nora Bossong trugen jeweils ein ihnen nahestehendes Krüger-Gedicht vor und konfrontierten es mit einem eigenen Werk. (…) 

Das ganze so feierlich, daß alle anwesenden Kritiker wie besoffen waren, ein anderes Wort für inspiriert:

Der Kritiker Denis Scheck brach eine Lanze für den Literaturbetrieb an sich und würdigte den genialen Netzwerker Krüger als dessen innerstesBetriebssystem„.*

Man kann gar nicht genug zitieren:

Es macht der Literaturszene natürlich auch Freude, sich einmal richtig selbst zu feiern. (…)

Vor allem aber gelang es Krüger, mit ungekünsteltem, jungenhaftem Charme dem Ehrungsmarathon jede Steifheit und Gezwungenheit zu nehmen. Schon wie er sich zu Beginn, als Gauck ihm das Bundesverdienstkreuz verlieh, hinter dem (deutlich kleineren) Staatsoberhaupt spielerisch zu verstecken versuchte, hatte etwas großartig Lockeres und liebenswert Unbeholfenes. Obwohl ja jeder im Saal wusste, wie schwer es „unserem Vielseitigsten“ (Gauck) fiel und immer noch fällt, seine Rolle als Verlegerpatriarch an einen Jüngeren abzugeben, machte er nie den Eindruck, als würde ihm von seiner eigenen Bedeutung die Brust schwellen. An einem solchen Abend, der einer präsidialamtlichen Seligsprechung zu Lebzeiten gleichkam, ist das eine bemerkenswerte Leistung in Understatement. (…)

Es folgte eine sehr nette Literaturbetriebsparty an allerhöchster Stelle, bis am Ende der Protokollchef persönlich den Rausschmeißer machte. Da war es schon lange nach Mitternacht. Wie cool war das denn!

(Ja, das wollt ich auch grade sagen.)

Zitate aus Die Welt, http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article123993245/Der-Literaturbetrieb-feiert-im-Schloss-Bellevue.html

Geistige Gummibärchen ist eine Kolumne zur Poesie des Medienspeak

*) Wie präzis-ironisch angesichts der notorischen Computerfeindlichkeit des Geehrten

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