98. Abfall vom falschen Denken

Ist das dichtende Wort denn Produkt der Weigerung des Menschen gegenüber den Menschen wie der Herrschaft des Menschen über den Menschen? Oder Entsprechung natürlicher Anliegen in einer übersteigerten, weiterdrängenden, übernatürlichen Welt oder Funktion? Oder Gestammel bzw. Gemurmel des Unbegreifbaren bzw. nicht hinlänglich Erhellten?

Doch, letzterem müßte man zustimmen, auch um der neu heraufgezogenen Überheblichkeitsstruktur zu entsprechen, die man kritisch im eigenen Denken zuerst aufsuchen müßte, also im Sinne von Skepsis. (…)

Auch das Gedicht, die Dichtung legt Rechenschaft ab, für Einsicht. Einsicht in die Aktenlage des Geistes: und dabei kann sich gute Relation einstellen.

Wer die letzten Dinge aufgibt, kann nicht verstehen – oder hat vermutlich schon genug verstanden. So rufen die Gedichte als Miniaturen – zu Wem? – zur Erlösung aus der Welt der Dämonen, die Gedanken wurden. Abfall vom falschen Denken, als Geschenk und als Versuch, einen Eigensinn zu bewahren. Wie gleich muß das Denken noch der Lüge werden, um sie zu begreifen?

Retten tun beide vielleicht, Gesetz wie Gedicht. Mag doch die Denkmaschine mal um die Ohren fliegen, so war geheime Kraft, neuzubilden oder wieder zu fügen, wie schlau die Heilkräfte der Natur eingerichtet sind: Lobpreis der natürlichen Klugheit wie Schönheit, nicht der Narretei. So sucht man beständig nach Verzeihen für das Unverzeihliche. Dafür jedenfalls benötigt man nicht unbedingt Beistand. Aber wer weiß, wo sich der fruchtbare Boden noch finden wird. Nur eine kleine Auszeit, um sich selbst zu verzeihen, um im Selbstmitleid zu baden.

Damit erschöpft sich der Sinn nicht.

/ ROESIKE AXEL, der Freitag – Community

8 Comments on “98. Abfall vom falschen Denken

  1. „Retten tun beide vielleicht, Gesetz wie Gedicht.“
    Es lebe das Hilfsverb- und Richard Wagner.
    “ So war geheime Kraft, neuzubilden oder wieder zu fügen…“

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  2. „Aktenlage des Geistes“ finde ich jetzt doch aber sehr schön.
    (So wie es ja längst auch so was wie Formalitäten der Leidenschaft gibt … und die Kunstsysteme und die Ideale letztlich immer nur neue Verhaltensvorschriften formulieren.)

    Von Oswald Wiener stammt ja der Satz: „Jedes Gedicht hat Amtscharakter.“
    Ich vermute mal, dass genau das der verdrängteste Teil an dem ganzen lyristischen Sprechen der Lyrik ist – auch bei dem Kunst-abgeklärten.

    Gut, dass der Sinn sich niemals erschöpft – wie stünden wir da?
    Spreche ich noch klar? 😉

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  3. Jan… was wissen sie nicht?! Sind doch nur meine Gedanken.. war das so schlimm? Bitte um Antwort…

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    • ich meinte, dass ich nicht weiß, ob ich den artikel richtig verstehe, er hat gewissermaßen eine gewisse ratlosigkeit ausgelöst. mein seufzen bezog sich also nicht oder nicht direkt auf ihren kommentar. sehen sie mir also meine skepsis bitte nach,

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